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Mueenuddin, Daniyal: Andere Räume, andere Träume

Kurzkritik [1]Was meinen Sie? [2]Ausführliche Besprechung [3]Infos [4]

Buchcover
Erschienen 2010 bei Suhrkamp (Hardcover)
Aus dem amerikanischen Englisch von Brigitte Heinrich
Originalausgabe: „In Other Rooms, Other Wonders“, 2009
Inhalt:

Eine Villa in der Hauptstadt, eine Farm auf dem Land – der betagte K. K. Harouni ist ein vermögendes und einflußreiches Mitglied der pakistanischen Landbesitzerklasse. Verständlich, dass seine Beziehung zu einer Frau, die gesellschaftlich weit unter ihm steht, bei seiner Familie auf wenig Begeisterung stößt. Nach Harounis Tod wird sie dorthin verstoßen, wo sie herkam: auf die Straße. Um den Clan dieses Patriarchen und seine Angestellten kreisen acht Erzählungen. (Pressetext)

Kurzkritik:

Pakistan habe ich mir anders vorgestellt. Ich dachte, dort ginge es zu, wie es V. S. Naipaul in „Eine islamische Reise“ beschrieben hat: rückständig, alles von der Religion dominiert.

Doch Religion ist kaum ein Thema bei Mueenuddin. Würden einige der von ihm beschriebenen Menschen nicht Allah anbeten, könnten die Erzählungen auch in vielen anderen Ländern spielen, wo man ohne Beziehungen und Schmiergeld wenig erreichen kann und die nicht unbedingt islamisch sein müssen.

Besprechung:

Keine Hoffnung für Pakistan

Pakistan habe ich mir anders vorgestellt. Ich dachte, dort ginge es zu, wie es V. S. Naipaul in „Eine islamische Reise“ beschrieben hat: rückständig, alles von der Religion dominiert.

Doch Religion ist kaum ein Thema bei Mueenuddin. Würden einige der von ihm beschriebenen Menschen nicht Allah anbeten, könnten die Erzählungen auch in vielen anderen Ländern spielen, wo man ohne Beziehungen und Schmiergeld wenig erreichen kann und die nicht unbedingt islamisch sein müssen. (Mit ein wenig Fantasie könnte der pakistanische Großgrundbesitzer K. K. Harouni auch ein österreichischer sein zu einer Zeit, als man hierzulande ohne Parteibuch nicht einmal eine Wohnung, geschweige denn Arbeit bekommen hat.)

Onkel Nawab

Mueenuddins Erzählungen kreisen jedenfalls alle um diesen reichen und mächtigen Mann Harouni, wenngleich dieser persönlich oft nur am Rande darin vorkommt. Vom aus Not erfindungsreichen Elektriker Nawab wird er gebeten, ihm ein Motorrad zu kaufen, damit dieser seiner Arbeit weiterhin nachgehen kann. – „Das Motorrad erhöhte sein Ansehen, verlieh ihm Gewicht, so daß die Leute anfinden, ihn ,Onkel‘ zu nennen und ihn in vielen Dingen, von denen er absolut nichts verstand, um seine Meinung zu fragen.“

Konkrete Korruption

Das Dienstmädchen Saleema schläft zuerst mit Harounis Koch, später mit seinem alten, verheirateten Kammerdiener, von dem sie bald ein Kind bekommt. Der Verwalter Jaglani nutzt die Gutgläubigkeit seines Herrn aus, ergaunert sich viel Geld und wird eine mächtige Person. Und wie korrupte Rechtsprechung konkret aussieht, kann man im Kapitel „Von einem brennenden Mädchen“ erfahren.

Zumindest überleben wollen

Mueenuddin schreibt in einem ruhigen, beschaulichen Ton über Menschen verschiedener Gesellschaftsschichten, die alle auf der Suche nach dem sind, was sie unter Glück verstehen, (oder die zumindest überleben wollen) – und die scheitern. Dieses Scheitern hat vordergründig weder mit dem politischen System Pakistans noch mit ihnen selbst zu tun.

Alle scheitern

Alle scheitern, ob mit oder ohne Geld, ob mit oder ohne Liebe. Dieser rigorose Pessimismus ist das einzige, was mich an diesem berührenden Buch gestört hat. Gibt es in Mueenuddins Pakistan keine Hoffnung?

Von Werner Schuster
Infos:

Daniyal Mueenuddin, geboren 1963, wuchs in Lahore, Pakistan, und Elroy, Wisconsin, auf und studierte am Dartmouth College und an der Yale Law School. Nach mehreren Jahren als Jurist in New York lebt und arbeitet er heute, als Autor und als Bauer, auf einer Farm in Khanpur, Pakistan.