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Schimmeck, Tom: Am besten nichts Neues

Kurzkritik [1]Was meinen Sie? [2]Ausführliche Besprechung [3]Infos [4]

Buchcover
Erschienen 2010 bei Westend (Piper)
Inhalt:

Während Zeit und Geld ständig knapper werden, in den Redaktionen und Korrespondenzbüros immer weniger Leute die gleiche Menge an Arbeit machen, wächst in Wirtschaft und Politik die Macht und Zahl der Spin-Doktoren, PR-Consultants, Agendasetter, Werber, Imageberater, Marktforscher, Eventmanager und Mediencoaches. Meinungen und Stimmungen werden gegen Geld von Profis gemacht. Ihre perfekt designten Bilder und Botschaften zielen direkt auf die Massen. Der unabhängige Journalist ist nur noch Störfaktor. (Pressetext)

Kurzkritik:

Schimmeck sagt selbst: „Das ist eine krude Mixtur: Analyse, Reportage, Bilanz, Porträt, auch Sittenbild.“

Das stimmt. Schade nur, dass von so einer Mixtur so wenig hängen bleibt. Vielleicht hätte Schimmeck nicht hoffen sollen, dass sich sein Buch in unseren Köpfen „zu einem brauchbaren Ganzen zusammenfügt“, sondern gleich ein brauchbares Ganzes veröffentlichen sollen.

Besprechung:

Eine krude Mixtur

In einem anderen Buch als diesem hat die Autorin geschrieben: „Ganz besonderer Dank gilt meinem Freund N.N., der einschritt, als dieses Buch in furchtbarem Zustand war.“ Leider hatte Tom Schimmeck keinen solchen Freund.

Nun ist „Am besten nichts Neues“ auch nicht in einem furchtbaren Zustand, könnte aber in einem weit besseren sein, als es ist. Aber wahrscheinlich traut sich einem Kapazunder wie Schimmeck (taz-Mitbegründer, mehrfacher Preisträger) niemand etwas zu sagen.

Was fehlt

Auf mich jedenfalls wirkt dieses Buch wie eine eher beliebige Aneinanderreihung von unredigierten Magazinbeiträgen, bei denen noch dazu die erhellenden Fotos sowie die erläuternden Einleitungen fehlen.

Erläuterung liefert immerhin der Klappentext: „Der Mut der Presse schwindet, Journalisten und Redakteure stehen immer mehr unter Druck. Konzerne sparen Verlage und Sender zu Tode, PR-Profis steuern die Themen.“

Was abgeht

Um das zu vermitteln, geht dem Buch über „Medien, Macht und Meinungsmache“ eine erkennbare Dramaturgie ab. Es gibt zwar Kapitel, aber die Überschriften sind nichts sagend („Showplatz Mitte“, „Verfüllungsgehilfen“ etc.).

Jedes dieser neun Kapitel fängt Schimmeck, wie einen langen Artikel in einem Magazin, mit einer Art Bildbeschreibung an, z. B.: „Ein kleiner Ort in Oberösterreich. Der Hauptplatz von Ried, unweit von Braunau. Bier strömt, die Kapelle bläst, Volk drängt sich. Vollfleischige, rotgesichtige Männer, die Arme über der Brust verschränkt, die Beine im Pflaster verwurzelt, schauen stumm; Frauen mit grimmigem Mund, bepackt mit Einkaufstaschen, äugen erwartungsvoll. –“

Was man nicht weiß

Sie warten auf Jörg Haider. Schimmeck beschreibt den verstorbenen österreichischen Politiker, versucht, dessen Erfolg zu erklären, und man weiß immer noch nicht so recht, was das mit „Medien, Macht und Meinungsmache“ zu tun hat.

Erst nachdem Schimmeck noch kurz beschrieben hat, wie Haider seinen Aufstieg den Medien zu verdanken hatte, enthüllt er endlich, worum es im Kapitel „Rampensäue im Rampenlicht“ eigentlich geht: um das Thema „Medien und Macht“.

Was man erfährt

Wir erfahren viel (von wem auch immer) gründlich Recherchiertes über Rupert Murdoch, Silvio Berlusconi und Nicolas Sarkozy, aber hier und in anderen Kapiteln auch wusste ich oft nicht, warum mir Schimmeck das alles toll erzählte.

Anders gesagt: Das ist so souverän (und abgehoben) geschrieben, dass die Aussage dahinter ziemlich verblasst. Oder, wie Schimmeck es selbst beschreibt: „Das ist eine krude Mixtur: Analyse, Reportage, Bilanz, Porträt, auch Sittenbild.“

Was hängen bleibt

Das stimmt. Schade nur, dass von so einer Mixtur so wenig hängen bleibt. Vielleicht hätte Schimmeck nicht hoffen sollen, dass sich sein Buch in unseren Köpfen „zu einem brauchbaren Ganzen zusammenfügt“, sondern gleich ein brauchbares Ganzes veröffentlichen sollen.

Von Werner Schuster
Infos:

Tom Schimmeck schreibt als freier Redakteur für SZ, GEO, Stern, profil und Sports (seine Homepage: klugschiss.org). Er ist Mitbegründer der taz und war Redakteur bei Tempo und beim Spiegel. 2007 erhielt er den Otto-Brenner- Preis, 2009 den Deutschen Sozialpreis.

Mehr über Tom Schimmeck auf klugschiss.org [5] und bei Wikipedia [6].

Mehr von Piper [7] bei den Eselsohren.