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Schmieder, Jürgen: Du sollst nicht lügen

Kurzkritik [1]Was meinen Sie? [2]Ausführliche Besprechung [3]Infos [4]

buchcover
Erschienen 2010 bei C. Bertelsmann (Hardcover).
Inhalt:

Erfahrungsbericht über einen einzigartigen Selbstversuch, 40 Tage lang die Wahrheit zu sagen. (Pressetext)

Kurzkritik:

Wenn ich ehrlich bin, ist mir sein Buch ein bisschen zu glatt und zu gekonnt verfasst. Über alle seine Erlebnisse kann Schmieder humorig berichten. Sogar seine Krisen, etwa ob er sein Projekt abbrechen sollte, sind – im nachhinein betrachtet – Stoff für Amusement. Ich kann ihm das nicht ganz abnehmen. 40 Tage nicht zu lügen müsste doch mehr ans Eingemachte gehen, denke ich.

Und so ist mir die Dokumentation dieses Selbst-Versuchs – bei allen Recherchen und Gedanken Schmieders zum Thema Lügen – ein bisschen zu witzig, ein bisschen zu angenehm zu lesen, ein bisschen zu oberflächlich.

Besprechung:

Du sollst uns unterhalten

Mal ehrlich, ich habe daran gedacht, Jürgen Schmieders Experiment nachzumachen, vielleicht nicht 40 Tage lang, aber doch wenigstens vier oder zumindest einen.

Ich hab‘s nicht getan. Und das nicht wegen meiner Frau, sondern vor allem aus finanziellen Gründen. Jetzt könnte ich natürlich super abschweifen und darüber jammern, was aus dem JournalistInnen-Beruf geworden ist. Aber ich frage mich „lieber“, warum ich mit so vielen Kompromissen lebe.

Wenn ich ehrlich bin

Dieses Problem scheint Herr Schmieder nicht zu haben. Seine Dauer-Ehrlichkeit hat ihm zwar eine geprellte Rippe, eine Nacht auf der Couch sowie einen Streit mit seinem Freund und mit seinem Vater eingebracht, doch seine Existenz hätte sie nicht gefährden können. Wenn er ehrlich war. Doch das bezweifle ich eigentlich nicht.

Wenn ich ehrlich bin, ist mir sein Buch ein bisschen zu glatt und zu gekonnt verfasst. (Das ist natürlich ein zweifelhaftes Urteil, aber im Sinne des Buchtitels lasse ich das jetzt mal so stehen.) Über alle seine Erlebnisse kann er humorig berichten. Sogar seine Krisen, etwa ob er sein Projekt abbrechen sollte, sind – im nachhinein betrachtet – Stoff für Amusement.

Ein bisschen zu angenehm

Vielleicht liegt es an meinen ausgeprägten Katastrophenerwartungen, aber ich kann ihm das nicht ganz abnehmen. 40 Tage nicht zu lügen müsste doch mehr ans Eingemachte gehen, denke ich.

Und so ist mir die Dokumentation dieses Selbst-Versuchs – bei allen Recherchen und Gedanken Schmieders zum Thema Lügen – ein bisschen zu witzig, ein bisschen zu angenehm zu lesen, ein bisschen zu oberflächlich.

Ihr könnt mich alle am Arsch lecken!

Darauf mag er nun, wie so oft bei seinem Experiment, ungehobelt, unwirsch und schroff reagieren (nicht so krass wie Peter Finch im großartigen Film „Network“, auf den ich trotzdem mit diesem Ausschnitt [5] hinweisen möchte). Das ist zwar gewiss befreiend, aber doch wohl nur ein kleiner Teil dessen, was Ehrlichkeit ausmacht.

Nur noch 150 Mal am Tag

Auf jeden Fall aber hat mich dieses Buch zum Nachdenken angeregt, welche meiner angeblich 200 täglich Lügen sinnvoll und notwendig sind. Schmieder selbst hat beschlossen, nur noch 150 Mal am Tag nicht ehrlich zu sein. Darauf kann ich mich mit ihm wohl einigen.

Von Werner Schuster
Infos:

Jürgen Schmieder, Jahrgang 1979, ist Redakteur für sueddeutsche.de sowie Reporter und Autor für die Süddeutsche Zeitung. Er schreibt regelmäßig über Sport und ist Autor verschiedener erfolgreicher Kolumnen, u.a. „Mein Bauch gehört mir“.

Ein Video-Statement [6] von Schmieder zu seinem Buch.