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Yoshimoto, Banana: Mein Körper weiß alles

Kurzkritik [1]Was meinen Sie? [2]Ausführliche Besprechung [3]Infos [4]

Buchcover
Erzählungen
Erschienen 2010 bei Diogenes
Aus dem Japanischen von Annelie Ortmanns und Thomas Eggenberg
Originalausgabe: „Karada Wa Zenbu Shitteiru“, 2000
Inhalt:

Der rote Faden dieser poetischen Geschichten, die alle mit seelischen Umbrüchen und Grenzsituationen zu tun haben: Manche Gewissheiten kann nur der Körper vermitteln, und er tut es heilsam und hellsichtig. (Pressetext)

Kurzkritik:

Yoshimotos gleichermaßen emphatisch wie prägnant geschriebene Geschichten sind berührend. Man sollte jede einzelne wirken lassen – und dem eigenen Körper zuhören, bevor man ergriffen weiterliest.

Besprechung:

Ein großer kleiner Verlust

13 Ich-Erzählerinnen berichten in Banana Yoshimotos „Mein Körper weiß alles“ von – für ihr weiteres Leben wichtigen – Ereignissen und/oder Entscheidungen. Ohne dass sie sich lang und breit beschreiben würden, entsteht beim Lesen ein ziemlich klares Bild von diesen Frauen, das nicht unbedingt Japanerinnen darstellen muss. Was Yoshimoto erzählt, scheint allgemein gültig zu sein.

Von einer Frau ist da die Rede, die sich in einer Hypnotherapie an ihre alkoholsüchtige Mutter erinnert, von welcher sie früh verlassen worden ist. Eine andere hat ihr Leben für ihren sprunghaften Freund aufgegeben und merkt, dass sie schwanger ist. Wiederum eine andere besucht ihre Jugendfreundin im Spital und erkennt, dass diese ihr in schweren Zeit stets beigestanden ist. Von einer Berufswahl (oder Berufung) wird erzählt, von seltsamen Sex-Abenteuern und einem jahrelangen Verhältnis mit einem verheirateten Mann.

Aber heute Nacht trauerte ich

In „Mein kleiner Fisch“ lässt sich die Frau spontan ein harmloses Knötchen auf der Brust weglasern, mit dem sie seit ihrer Schulzeit gelebt hat. „Warum bloß fühlte ich mich so traurig?“ – Es hatte die Form eines Fisches und niemanden je gestört. – „Wenn ich schon so bestürzt reagierte, wie mochte es dann erst Leuten ergehen, die sich einer Schönheitsoperation unterzogen hatten? Sie würden sich selbst niemals wiedersehen können.“ – Eine Freundin, mit der sie zufällig telefoniert, meint schließlich: „Moment, warte mal¬†– geht dir denn damit nicht etwas verloren?“ – Und dann nimmt die Frau Abschied: „Bald schon würde ich es positiv sehen, denn schließlich war ich schöner geworden und brauchte mir keine Sorgen mehr um meine Gesundheit zu machen. Aber heute Nacht trauerte ich sehr um meinen langjährigen Weggefährten, meinen kleinen Fisch.“

Dem eigenen Körper zuhören

Yoshimotos gleichermaßen emphatisch wie prägnant geschriebene Geschichten sind berührend. Man sollte jede einzelne wirken lassen – und dem eigenen Körper zuhören, bevor man ergriffen weiterliest.

Von Werner Schuster
Infos:

Banana Yoshimoto, 1964 geboren, Tochter des bekannten Essayisten und Literaturkritikers Ryumei Yoshimoto, schreibt, seit sie sieben ist. Yoshimoto, die von Japans Jugend als Kultautorin verehrt wird, lebt in Tokio. ‘Kitchen’ und der Roman ‘Tsugumi’ wurden verfilmt. Sie erhielt den Kaien- und den Izumi-Kyoka- Literaturpreis.

Über Banana Yoshimoto [5] bei Wikipedia.