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Hegemann, Helene: Axolotl Roadkill

Kurzkritik [1]Was meinen Sie? [2]Ausführliche Besprechung [3]Infos [4]

Buchcover
Erschienen 2010 bei Ullstein
Inhalt:

Axolotl-Roadkill-Video [5]

Kurzkritik:

Ob das nun Absicht ist oder nicht, Hegemann verschleiert oder versperrt alle Zugänge zu ihrer Ich-Erzählerin. Man weiß nie so recht, was wahr, was Abwehr und was Spiel ist. Es kann sein (muss aber nicht), dass die Autorin eine technisierte Generation beschreibt, die in der analogen und in der digitalen Welt mit allen möglichen Identitäten spielt. Oder sie beschreibt bloß die Drogenräusche einer 16-jährigen Schulabbrecherin.

Kurz, bevor ich das Buch fertiggelesen habe, kam vom Verlag die Nachricht, dass es gegen Frau Hegemann Plagiatsvorwürfe gibt- Das ist selbstverständlich nicht in Ordnung. Allerdings beschreibt es eine fremde Welt in der – faszinierenden, aber eher unzugänglichen – Sprache dieser fremden Welt. Dass „Copy & Paste“ Bestandteil dieser Welt ist, überrascht mich nicht.

Besprechung:

Auf Drogen mit Identitäten spielen

Ich bin bald 48 und habe dieses Buch bestellt, auch weil ich in Erfahrung bringen wollte, wie es ist, heutzutage jung zu sein. Schon nach den ersten paar Seiten habe ich gehofft, dass die bald 18-jährige Frau Hegemann nur für einen kleinen Teil ihrer Generation spricht.

Ich sah bei der Lektüre nämlich die sog. Kinder vom (Wiener) Karlsplatz vor mir, deren Eltern sich wohl auch nie vorstellen konnten, dass ihre Söhne und Töchter einmal tablettensüchtig auf der Straße herumhängen. – Hegemanns Protagonistin, die 16-jährige Mifti, könnte einmal bei solchen Jugendlichen (in Berlin) landen. Im Roman nimmt sie noch Ecstasy, Kokain und dergleichen zu sich.

Sie bewegt sich von Party zu Party, die Schule hat sie mehr oder weniger schon abgebrochen und ihrer Familie begegnet sie zynisch und aggressiv.

Ratlos gegenüber

Als alter Hobbypsychologe wollte ich natürlich wissen, was Mifti von ihrer Familie angetan wurde (oder was sie glaubt, dass ihr angetan wurde), und stand Miftis Selbstbeschreibung wohl ähnlich ratlos gegenüber wie ein Elternteil vor seinem harte Drogen nehmenden Kind.

Ob das nun Absicht ist oder nicht, Hegemann verschleiert oder versperrt alle Zugänge zu ihrer Ich-Erzählerin. Man weiß nie so recht, was wahr, was Abwehr und was Spiel ist. Es kann sein (muss aber nicht), dass die Autorin eine technisierte Generation beschreibt, die in der analogen und in der digitalen Welt mit allen möglichen Identitäten spielt.

Copy & Paste in der fremden Welt

Kurz, bevor ich das Buch fertiggelesen habe, kam vom Verlag die Nachricht, dass es gegen Frau Hegemann Plagiatsvorwürfe gibt: Sie soll Texte von zumindest einem nicht genannten Autor in ihren Roman verwendet haben.

Das ist selbstverständlich nicht in Ordnung. Nur: Solange man das nicht wusste, wurde der „Axolotl Roadkill“ von meinen KollegInnen in den Himmel gelobt; jetzt beginnt man an der Qualität des Romans zu zweifeln.

Vielleicht tue ich mir da leichter, weil ich nicht behaupten konnte, ob dieses Buch großartig ist oder nicht. Für mich beschreibt es eine fremde Welt in der – faszinierenden, aber eher unzugänglichen – Sprache dieser fremden Welt. Dass „Copy & Paste“ Bestandteil dieser Welt ist, überrascht mich nicht.

Keine Frage: Hegemann hätte ihre Quellen angeben müssen. Sie hat dennoch einen aufwühlenden Roman geschrieben.

Von Werner Schuster
Infos:

Der Plagiatsvorwurf von Airen [6] auf gefuehlskonserve.de.
Die Stellungnahmen vom Verlag und von Hegemann [7] bei buchmarkt.de.

Helene Hegemann, 1992 in Freiburg geboren, lebt in Berlin. Im Oktober 2008 wurde ihr erster Film Torpedo während der Hofer Filmtage als Entdeckung des Jahres gefeiert und mit dem Max-Ophüls-Preis ausgezeichnet. Zurzeit arbeitet Helene Hegemann an verschiedenen künstlerischen Projekten.

Über Helene Hegemann [8] bei Wikipedia.