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Strobel, Bernhard: Nichts, nichts

Kurzkritik [1]Was meinen Sie? [2]Ausführliche Besprechung [3]Infos [4]

Buchcover
Erschienen 2010 bei Droschl
Inhalt:

Auch in diesem zweiten Band bleibt Strobel seinem Sujet treu: keine Wohlfühlliteratur und kein Lifestyle, nicht die mit geschickter Glätte komponierten und dem gehobenen Entertainment verpflichteten Sätze der Literaturinstitute, sondern Rauheit und Verzicht auf Eleganz, und dazu die karge Welt der Verlierer (Pressetext)

Kurzkritik:

Ich habe beim Lesen die meiste Zeit an diesen Satz des Begründers der Gestalttherapie, Fritz Perls, denken müssen: „Wenn wir dieses Nichts, diese Leere annehmen und da hineingehen, dann fängt die Wüste zu blühen an. Das leere Loch wird lebendig und füllt sich an.“ Bei Strobel tut es das nicht. Und er beschreibt nicht nur Menschen, die vor einem Konflikt kapituliert haben, er schildert auch ihre Fantasien darüber, was passieren könnte, wenn sie sich ihrem Problem stellen.

Besprechung:

Die Sackgassen- und die Nichts-Menschen

Auf den ersten Blick unterscheiden sich diese neuen Erzählungen von Bernhard Strobel nicht von denen aus „Sackgasse“: Der Autor beschreibt gescheiterte Existenzen. Doch schon der Titel verweist auf eine veränderte Perspektive: Während man aus einer Sackgasse wieder hinausgehen kann, scheinen Zeit und Raum im Nichts still zu stehen.

Während man also für die früheren Protagonisten noch hoffen konnte, so wirken die jetzigen festgefahren und erstarrt. Auch die Wehleidigkeit und die Aggressivität der Sackgassen-Menschen ist irgendwie verschwunden oder, besser gesagt, die Nichts-Menschen könnten Statuen sein mit wehleidigem und/oder aggressivem Ausdruck.

Pechvögel

Sie haben Pech gehabt oder versagt und sich mit ihrem Elend und Leid abgefunden. Und sie trauen auch ihren Mitmenschen nicht zu, etwas zu ändern oder zu verbessern.

„Ist es wegen deinem Vater?“ fragte sie.
„Nein“, sagte er.
„Ist es Maria? Ist es wegen dieser Maria?“
Er schüttelte den Kopf.
„Was ist es dann?“
„Nichts, nichts“, sagte er.

Anders an den neuen Erzählungen ist für mich auch, dass Strobel eher Geschichten erzählt. Zwar spart er die Vorgeschichten und Beweggründe der Protagonisten nach wie vor aus, aber sie bewegen sich mehr.

Wider besseres Wissen

Schwer zu sagen, ob das ein gutes oder ein schlechtes Zeichen sein könnte, denn sie handeln oft unfreiwillig und/oder wider besseres Wissen: Da kann nichts Gutes dabei herauskommen, wahrscheinlich wird es sogar noch schlimmer. Jener Mann in „Eine flüchtige Bekanntschaft“, der in einer Waldhütte lebt, nimmt politische Flüchtlinge bei sich auf. Diese werden nicht nur geschnappt, er verliert auch noch seinen Zufluchtsort.

Das kann man nun als depressive oder als Übertreibungs-Literatur ansehen, und natürlich stellt sich die Frage, warum man so etwas lesen sollte. Zur Erbauung wohl eher nicht.

Katastrophen-Erwartungen

Mein Vorschlag: Ich habe beim Lesen die meiste Zeit an diesen Satz des Begründers der Gestalttherapie, Fritz Perls, denken müssen: „Wenn wir dieses Nichts, diese Leere annehmen und da hineingehen, dann fängt die Wüste zu blühen an. Das leere Loch wird lebendig und füllt sich an.“ Bei Strobel tut es das nicht. Und er beschreibt nicht nur Menschen, die vor einem Konflikt kapituliert haben, er schildert auch ihre Fantasien darüber, was passieren könnte, wenn sie sich ihrem Problem stellen.

Von Werner Schuster
Infos:

Nihilismus unter der Oberfläche [5] (Interview mit Strobel im HVB-Anzeiger; 2008)

Über Bernhard Strobel [6].