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Haller, Reinhard: Das ganz normale Böse

Kurzkritik [1]Was meinen Sie? [2]Ausführliche Besprechung [3]Infos [4]

Buchcover
Sachbuch Gesellschaft
Erschienen 2009 bei Ecowin,
2011 als Taschenbuch bei Rowohlt
Inhalt:

Nach dem Lesen dieses Buches können wir das Wesen des Bösen wohl besser begreifen, werden aber allen Grund haben, beunruhigt zu sein: Das Böse ist Teil des Menschlichen und wird uns niemals loslassen. (Pressetext)

Kurzkritik:

Hallers Buch nähert sich dem brisanten Thema sachlich und seriös und ohne seine Person in den Vordergrund zu stellen. Der Versuch, das Böse zu messen, zu lokalisieren, dingfest zu machen und ihm so den Schrecken etwas zu nehmen, scheitert daran, dass sich das „ganz normale Böse“ nicht in überschaubare Schranken weisen lässt. Dennoch versucht der Autor, diesen Begriff mittels einer Kategorisierung zu analysieren und eine Abstufung vorzunehmen: Wie böse ist z. B. ein Mord aus Verzweiflung im Vergleich zu Massentötungen im Dritten Reich? Und gibt es „böse“ Gene, sozusagen vom Schicksal vordefinierte Kriminalität?

Besprechung:

Es bedarf lediglich des Menschen

Reinhard Haller ist Gerichtspsychiater und Psychotherapeut; er ist psychiatrischer Sachverständiger an diversen in- und ausländischen Gerichtshöfen, und in jeder Autorenbiografie über ihn steht, dass er Gutachten in den Fällen „Jack Unterweger“ und „Franz Fuchs“ erstellt und mit diesen Tätern lange Gespräche geführt hat. Wer sich jetzt aber eine reißerische Story über die „Celebrities des Bösen“ mit saftigen Details und autobiografischen Zügen erwartet, wird enttäuscht.

Gibt es „böse“ Gene?

Hallers Buch nähert sich dem brisanten Thema sachlich und seriös und ohne seine Person in den Vordergrund zu stellen. Der Versuch, das Böse zu messen, zu lokalisieren, dingfest zu machen und ihm so den Schrecken etwas zu nehmen, scheitert daran, dass sich das „ganz normale Böse“ nicht in überschaubare Schranken weisen lässt. Dennoch versucht der Autor, diesen Begriff mittels einer Kategorisierung zu analysieren und eine Abstufung vorzunehmen: Wie böse ist z. B. ein Mord aus Verzweiflung im Vergleich zu Massentötungen im Dritten Reich? Und gibt es „böse“ Gene, sozusagen vom Schicksal vordefinierte Kriminalität?

Entscheidungsfreiheit

Sehr eingehend beschäftigt sich Haller mit dem Motiv, mit der Entscheidungsfreiheit, ein Verbrechen zu begehen oder nicht, und mit der Herleitung krimineller Dispositionen aus der Vergangenheit der Täter.

Die zu illustratorischen Zwecken geschilderten Fälle sind subtil und einfühlsam beschrieben, ohne daraus „voyeuristisches“ Kapital schlagen zu wollen, und sind mir vielleicht deshalb doppelt nahe gegangen.

Erschreckende Ergebnisse

Das Buch entlastet nicht von der Tatsache, dass es das „ganz normale Böse“ gibt, und dass unter gewissen Umständen jede/r zu ungeheuerlichen Taten fähig sein kann – diesbezügliche Tests an Normalpersonen haben erschreckende Ergebnisse gezeigt.

„Das Böse bedarf keiner Krankheit, um auf die Welt zu kommen, es bedarf keiner Ungerechtigkeit und auch keiner dunklen Mächte – es bedarf lediglich des Menschen.“

Dieses Zitat von Hans-Ludwig Kröber, einem gefragten deutschen psychiatrischen Gutachter, das am Anfang des Buches steht, fasst es gut zusammen: Das Böse ist ganz normal.

Von Eva Schuster
Infos: