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Orsenna, Érik: Weiße Plantagen

Kurzkritik [1]Was meinen Sie? [2]Ausführliche Besprechung [3]Infos [4]

Buchcover Weiße Plantagen von Orsenna
Eine Reise durch unsere globalisierte Welt
Sachbuch Wirtschaft
Aus dem Französischen von Antoinette Gittinger und Uta Goridis
Hardcover: C.H. Beck, 2007
Taschenbuch: dtv, 2009
(„Voyage aux pays du coton. Petit précis de mondalisation“, 2006)
Inhalt:

Die Baumwolle ist das »Hausschwein der Botanik«: Alles an ihr lässt sich verwerten, und es wird auch alles verwertet. Érik Orsenna reiste in die verschiedensten Regionen der Welt, besuchte Plantagen in Mali und den Vereinigten Staaten, Forschungslabors und Farmen in Brasilien und Museen in Ägypten, ausgetrocknete Seen in Usbekistan, Textilfabriken in Frankreich und China – und auch das chinesische Datang, die »Hauptstadt der Socke«. Orsenna veranschaulicht so das Phänomen der Globalisierung und zeigt die Licht- und die Schattenseiten eines einflussreichen Wirtschaftszweiges. Eine brillante Erkundung des »weißen Goldes«, ausgezeichnet mit dem CORINE 2007 für das beste Wirtschaftsbuch. (Pressetext)

Kurzkritik:

Nach dem blöden Motto „Recherche verdirbt dir die beste Geschichte“ arbeiten Journalisten oft auf eine Bestätigung ihrer (oder ihres Herausgebers) Meinungen und Mutmaßungen hin. In diesem Sinne ist Érik Orsenna kein Journalist. Obwohl er sicher seine Ansichten zum Thema Globalisierung gehabt hat, hat er auf seiner Reise durch die Welt(en) der Baumwolle vor allem einmal Eindrücke und Geschichten gesammelt, diese (ein)wirken lassen und schließlich in – auch widersprüchliche – Erzählungen verwandelt.

Besprechung:

Baumwoll-Welten

Nach dem blöden Motto „Recherche verdirbt dir die beste Geschichte“ arbeiten Journalisten oft auf eine Bestätigung ihrer (oder ihres Herausgebers) Meinungen und Mutmaßungen hin. In diesem Sinne ist Érik Orsenna kein Journalist. Obwohl er sicher seine Ansichten zum Thema Globalisierung gehabt hat, hat er auf seiner Reise durch die Welt(en) der Baumwolle vor allem einmal Eindrücke und Geschichten gesammelt, diese (ein)wirken lassen und schließlich in – auch widersprüchliche – Erzählungen verwandelt.

Selbstverständlich ist auch so eine Vorgangsweise nicht objektiv, und Orsenna beschreibt die Baumwoll-Kooperative in Mali gewiss mit mehr Sympathie als die Weltbank oder den amerikanischen Lobbyisten Mark Lange (welcher für die Subventionierung der US-Baumwoll-Industrie verantwortlich ist, gegen die die afrikanische keine Chance hat).

Sowjetunion-Klischees

Orsenna kann auch seine Angst vor der technologisierten und Raubbau betreibenden Baumwoll-Gewinnung in Brasilien nicht verbergen – oder seine Beklemmungen angesichts der immer noch Sowjetunion-Klischees verkörpernden Industrie in Usbekistan oder der totalitären in China. Doch er maßt sich nicht an, ablehnende Urteile zu fällen.

Und auch als besorgter Beobachter der Gentechnik-Entwicklung kann er nicht umhin festzustellen, dass Baumwolle schon seit Jahrhunderten nicht mehr die originäre Baumwolle ist. Orsenna ist auch zur Ansicht gekommen, dass es so etwas wie einen gerechten Preis nicht geben kann und dass nach wie vor die Nachfrage das Angebot bestimmt. Und außerdem hält er Arbeitszeitverkürzung für den „Anfang allen Niedergangs“.

Allseits liebevoll

Aber das sind schon die Schlussfolgerungen. Und auch Menschen, die keine Liebe zu Baumwolle in sich hegen, können mit diesem Buch eine faszinierende Weltreise unternehmen. „Wenn Sie mehr über die Weichheit oder besser über die rauen Kulissen der Weichheit wissen wollen, machen Sie sich auf den Weg und treten Sie dicht an den ,Wolle tragenden Baum‘ heraun. Und spitzen Sie die Ohren.“

Soll heißen: „Weiße Plantagen“ ist bei weitem nicht nur für HistorikerInnen, WirtschaftswissenschaftlerInnen und Globalisierungsgegner geeignet. Nein, für alle anderen auch; und für JournalistInnen, welche die allseits liebevolle Recherche kennenlernen wollen.

Von Werner Schuster
Infos:

Auf Érik Orsennas Reise ist gemeinsam mit dem Regisseur Calmettes der Fernseh-Film „Billige Baumwolle – Teuer bezahlt“ („Sur les routes du coton“) entstanden.

Érik Orsenna, geboren 1947, ist Schriftsteller, Mitglied der Académie Française, Ökonom, Direktor des Centre international de la mer und Mitglied des französischen Staatsrates. Für seine Publikationen wurde er vielfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Prix Goncourt, dem Lettre Ulysses Award und der Corine.

Über Érik Orsenna [5] bei Wikipedia.