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Hemon, Aleksandar: Lazarus

Kurzkritik [1]Was meinen Sie? [2]Ausführliche Besprechung [3]Infos [4]

Buchcover
Roman
Aus dem Amerikanischen von Rudolf Hermstein
Mit Fotografien von Velibor Bozovic
Hardcover: Knaus, 2009
Taschenbuch: btb, 2010
(„The Lazarus Project“, Riverhead, 2008)
Inhalt:

1908 wird in Chicago der junge osteuropäische Einwanderer Lazarus Averbuch, ein vermeintlicher Anarchist, vom Polizeipräsidenten aus nächster Nähe erschossen. Hundert Jahre später will der bosnisch-amerikanische Schriftsteller Brik die Wahrheit über diesen angeblichen Anarchisten ans Licht bringen. Mit seinem Freund Rora macht er sich auf den Weg in die Heimat von Lazarus. Ihre Reise wird zu einer Suche nach den eigenen Wurzeln. (Pressetext)

Kurzkritik:

Ich halte dieses Buch für großartig. Es ist auf jeden Fall vielschichtig. Zum einen ist es eine Reflexion über die Bedrohung eines Staates durch Terror, zum anderen über die Auswirkungen von (Bürger-)Kriegen auf die Bürger, weiters über den Umgang von Emigranten mit der Fremde – und von Bürgern mit Emigranten. Dann wird ein Blick auf das Amerika (konkreter: auf Chicago) vor 100 Jahren geworfen – und auf das Osteuropa der Gegenwart. Weiters wird über eine an widrigen Umständen zerbrechende Frau – und besonders auch über eine Männerfreundschaft erzählt.

Besprechung:

Voll aus dem Vollen

Ich halte dieses Buch für großartig. Es ist auf jeden Fall vielschichtig. Zum einen ist es eine Reflexion über die Bedrohung eines Staates durch Terror, zum anderen über die Auswirkungen von (Bürger-)Kriegen auf die Bürger, weiters über den Umgang von Emigranten mit der Fremde – und von Bürgern mit Emigranten. Dann wird ein Blick auf das Amerika (konkreter: auf Chicago) vor 100 Jahren geworfen – und auf das Osteuropa der Gegenwart. Weiters wird über eine an widrigen Umständen zerbrechende Frau – und besonders auch über eine Männerfreundschaft erzählt.

Das Ganze wirkt überhaupt nicht konstruiert, sondern gewissermaßen natürlich entstanden. Aleksandar Hemon hat sich von einer wahren Begebenheit inspirieren lassen (1908 wurde in Chicago ein vermeintlicher Anarchist vom Polizeichef erschossen) und hat die Möglichkeiten, welche in dieser Idee geschlummert haben, voll ausgeschöpft.

Erst am Schluss

Noch dazu kann er schriftstellerisch aus dem Vollen schöpfen, wechselt zwischen kaum gebrochener lyrischer und humoresker trockener Beschreibung, tut dies so lustvoll, dass ich erst am Schluss bemerkt habe, dass „Lazarus“ „eigentlich“ davon handelt, wie Geschichten erzählt werden (können).

Und wiewohl in „Lazarus“ auch viel von Hemons persönlicher Geschichte steckt (er wurde in Sarajewo geboren, ist in die USA emigriert und lebt in Chicago), kommt er in seinem Roman meiner Ansicht nach nur mittelbar vor, auch wenn dieser zur Hälfte von einem Schriftsteller handelt, der sich gemeinsam mit einem Fotografen auf Recherche befindet (auch Hermon hat dies getan, und die Fotografien finden sich zwischen den Kapiteln).

Also von diesem Autor möchte ich alles gelesen haben.

Von Werner Schuster
Infos:

Aleksandar Hemon wurde 1964 in Sarajevo geboren und lebt seit dem Bosnienkrieg in Chicago. Spätestens seit seinem international gefeierten Roman »Lazarus« gehört er zu den meist beachteten Stimmen der amerikanischen Gegenwartsliteratur. Der Roman stand in Deutschland auf der Shortlist des Internationalen Buchpreises 2009 und mehrfach auf der SWR- sowie der ORF-Bestenliste.

Über Aleksandar Hemon [5] bei Randomhouse.