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Le Carré, John: Marionetten

Kurzkritik [1]Was meinen Sie? [2]Ausführliche Besprechung [3]Infos [4]

Buchcover
Thriller
Aus dem Englischen von Sabine Roth und Regina Rawlinson
Hardcover: Ullstein, 2008
Taschnbuch: Ullstein, 2009
(„A Most Wanted Man“, Hodder & Stoughton, 2008)
Inhalt:

Hamburg nach 9/11. Ein muslimischer Terrorverdächtiger ist die Schlüssel -figur im gnadenlosen Wettlauf internationaler Geheimdienste. Der neueRo man von John le Carré erzählt von einer durch den Terror verändertenGesellschaft, in der jeder Unschuldige und Schuldige gleichermaßenStatist in einem undurchschaubaren Marionettenspiel ist. (Pressetext)

Kurzkritik:

Eigentlich mag ich neue Bücher von Le Carré nicht sofort nach Erscheinen lesen, weil, mein Gott, der Meister ist auch schon 77, und ich würde halt gerne wissen, dass ich eines noch nicht kenne (– wiewohl man seine Thriller auch ein zweites Mal – und dann weniger hastig – verschlingen kann).

Mit „Marionetten“ hat er uns jedenfalls nicht nur noch einmal Freude bereitet, sondern ist auch in eine dritte Phase seiner Agententhriller eingetreten.

Besprechung:

Oder doch ein Terrorist?

Eigentlich mag ich neue Bücher von Le Carré nicht sofort nach Erscheinen lesen, weil, mein Gott, der Meister ist auch schon 77, und ich würde halt gerne wissen, dass ich eines noch nicht kenne (– wiewohl man seine Thriller auch ein zweites Mal – und dann weniger hastig – verschlingen kann).

Mit „Marionetten“ hat er uns jedenfalls nicht nur noch einmal Freude bereitet, sondern ist auch in eine dritte Phase seiner Agententhriller eingetreten. Ich möchte diese Phase allerdings nicht beschreiben, denn das hieße, den Schluss vorwegnehmen. Und so etwas tut man nicht.

Verfolgt

Was man ohne weiters ausplaudern kann: Le Carré beleuchtet unsere Gesellschaft, wie sie sich nach 9/11 entwickelt hat, was sich schon im grandiosen ersten Satz abzeichnet: Von einem türkischen Schwergewichtsmeister, der Arm in Arm mit seiner Mutter eine Hamburger Straße entlangspaziert, kann wohl niemand verlangen, daß er es bemerkt, wenn ihn ein klappriger junger Mann im schwarzen Mantel verfolgt.

Der klapprige junge Mann ist – wahrscheinlich – ein Flüchtling aus Tschetschenien, der sich an eine Hilfsorganisation wendet, damit man ihm dort helfe, Geld vom Konto einer Privatbank abzuheben. Viel Geld. Und von zweifelhafter Herkunft.

Und schon bald interessieren sich diverse Geheimdienste für den klapprigen jungen Mann, der – vielleicht, vielleicht auch nicht – bloß sein privates Glück machen möchte. Oder doch ein Terrorist ist, über den man an einen noch größeren Fisch herankommen möchte.

Inständig

Tja, und hier ist mein journalistisches Schweigegelöbnis, was den Fortgang der Handlung anbelangt, schon längst in Kraft getreten. So viel noch: Kaum einer versteht es so wie Le Carré, seine Charaktere aus wechselnder Distanz zu beschreiben, ohne ihnen zu nahe zu kommen (d.i. so zu tun, als könnte er in ihre Seelen schauen). Kaum einem gelingt es auch, die Beweggründe der Charaktere für ihre Handlungen so glaubwürdig und plausibel zu schildern, ohne dabei gekünstelt oder platt psychologisch zu sein.

Und wie kann man mit 77 nur eine neue Seite aufschlagen? Und werde ich nochmals ein neues Buch von Le Carré aufschlagen? Ich hoffe inständig.

Von Werner Schuster
Infos:

John le Carré, geboren 1931 in Poole, Dorset, studierte in Bern und Oxford Germanistik, bevor er in diplomatischen Diensten u. a. in Bonn und Hamburg tätig war. “Der Spion, der aus der Kälte kam” begründete seinen Weltruhm als Bestsellerautor. Der Autor lebt mit seiner Frau in Cornwall und London.

Über John le Carré [5] bei Wikipedia.