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Pinilla, Ramiro: Der Feigenbaum

Kurzkritik [1]Was meinen Sie? [2]Ausführliche Besprechung [3]Infos [4]

Buchcover
Roman
Aus dem Spanischen von Stefanie Gerhold
Taschenbuch: dtv, 2008
(“La higuera”, Tusquets Editores, 2006)
Inhalt:

1937, ein Jahr nach Beginn des Spanischen Bürgerkriegs. Francos Truppen haben das Baskenland erobert und machen wie überall mit den Anhängern der Republik kurzen Prozess. Mitten in der Nacht reißt das Säuberungskommando die Familie aus dem Schlaf. Als der Falangist Rogelio Cerón dem Lehrer und dem Erstgeborenen die Hände auf den Rücken bindet, bleiben seine Augen an dem Jüngsten hängen. Unverwandt starrt Gabino ihn an, sein Blick ist kalt und undurchdringlich. Eine unsägliche Wut steigt in Rogelio auf – doch er kann den 10-jährigen nicht mitnehmen, der faschistische Ehrenkodex verbietet es ihm, ein Kind zu töten. (Pressetext)

Kurzkritik:

Pinilla hat ein metaphorische Mahnmal aus immer wieder humoresk beschriebenen, realistischen Szenen errichtet. Mit scheinbar leichter Hand erzählt, stellt dieser Roman so etwas wie ein kollektives Gewissen dar: Auch verjährtes Unrecht bleibt Unrecht.

Besprechung:

Unrecht verjährt nicht

Dieses Buch erinnert nicht nur an den Spanischen Bürgerkrieg [5], sondern beschreibt die Auswirkungen von Bürgerkriegen auf die “kleinen Leute” allgemein. Dabei schildert Pinilla einen ganz konkreten und anfangs ein wenig absurd anmutenden Fall: Der junge Falangist [6] Rogelio Cerón nimmt an einem “Säuberungskommando” teil, bei dem ein Vater und einer seiner Söhne aus ihrem Haus entführt und ermordet werden. Der zehnjährige Gabino, zu jung, um ebenfalls “hingerichtet” zu werden, steht bloß da und starrt ihn an.

Rogelio glaubt, dass Gabino früher oder später Rache nehmen wird, und sucht in der nächsten Nacht die Hinrichtungsstätte auf. Gabino hat Vater und Bruder bestattet und einen Feigenbaum-Schössling auf das Grab gepflanzt. Kommentarlos überreicht er Rogelio eine Gießkanne. Der versteht diese Geste so, dass sein Leben vom Gedeihen des Feigenbaums abhängt, und verbringt sein Leben ab sofort beim Grab.

Ein bedrohliches Mahnmal

Und erinnert die Bewohner des kleinen Ortes durch seine Handlungsweise an den in immer weitere Ferne rückenden, gerne verdrängten oder “vergessenen” Bürgerkrieg. Er wird ein lächerliches, bewundertes, ärgerliches, bedrohliches Mahnmal.

Pinilla hat dieses metaphorische Mahnmal aus immer wieder humoresk beschriebenen, realistischen Szenen errichtet. Mit scheinbar leichter Hand erzählt, stellt dieser Roman so etwas wie ein kollektives Gewissen dar: Auch verjährtes Unrecht bleibt Unrecht.

Von Werner Schuster
Infos:

Ramiro Pinilla, 1923 in Bilbao geboren, gilt als einer der bedeutendsten baskischen Schriftsteller der Gegenwart. Nach großen Erfolgen in den 60er Jahren (1960/61 erhielt er den Premio Nadal und den Premio de la Crítica für ›Las ciegas hormigas ‹ dt. ›Die blinden Ameisen‹, DVA 1963) verabschiedete er sich 1971 vom offiziellen spanischen Literaturbetrieb, hörte aber nie auf, zu schreiben. Erst 2004 trat er wieder ans Licht der Öffentlichkeit – mit seinem monumentalen baskischen Familienepos ›Verdes valles, colinas rojas‹, für das er die bedeutendsten Literaturpreise Spaniens, den Premio de la Crítica 2005 und den Premio Nacional de Narrativa 2006 erhalten hat und das nach Auffassung der Kritiker einer der wichtigsten spanischen Romane der letzten Jahrzehnte ist.

Über Ramiro Panilla [7] bei dtv.