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Currie, Ronald F.: Gott ist tot

Kurzkritik [1]Was meinen Sie? [2]Ausführliche Besprechung [3]Infos [4]

Buchcover
Roman
Aus dem Amerikanischen von Sabine Roth
Broschiert: Goldmann, 2008
(2007)
Inhalt:

Weil vor dem Tod nach der gängigen Vorstellung zuerst einmal das Leben kommt, lässt Currie den Allmächtigen ganz folgerichtig erstmal herabsteigen in die Tristesse der diesseitigen Welt. Ach was, Tristesse: Die Welt, so wie sie ist, ist böse und brutal. Und weil Er sich das und die Gefahren des irdischen Daseins offenbar vorher nicht hinreichend klar gemacht hat, kommt es, wie es kommen muss: Schon bald nachdem Er in Gestalt einer Frau mitten hinein in ein afrikanisches Bürgerkriegsgebiet auf die Erde hernieder gekommen ist, kommt Er auch schon zu Tode. Das hatte Er so wohl selbst nicht geplant. Aber so ist das eben auf Erden: Eine falsche Bewegung, zur falschen Zeit am falschen Platz und schon ist es vorbei mit all den schönen Plänen, die man hatte. Und in der Fantasie Curries ergeht es dem Allmächtigen da eben nicht anders als uns Menschen …

Kurzkritik:

Gottes Tod war auf jeden Fall Anlass für ein viel versprechendes Debüt.

Besprechung:

Gott war eine Dinka

Jetzt, wo ich zu schreiben beginnen will, denke ich darüber nach, ob man (den christlichen) Gott tatsächlich töten könnte, wenn man seinen Sohn (respektive seine Tochter) umbringt, oder ob er sich töten lassen würde. Weiters frage ich mich, ob auf der Erde tatsächlich das Chaos ausbrechen würde, wenn Gott tot wäre. Gewiss, christliche Priester, Gläubige und Fanatiker würden ihre Existenzgrundlage verlieren, aber was wäre mit den AnhängerInnen der übrigen Religionen [5] und den Nichtreligiösen resp. den Atheisten?

Beim Lesen von “Gott ist tot” habe ich mir diese Fragen nicht gestellt, war ich zu gefesselt von Ronald F. Curries Phantasie und seiner klaren Sprache. Er schildert nicht chronologisch, wie Gottes Tod zum Ausnahmezustand führt, sondern wirft Schlaglichter auf die von ihm ausgemalten Konsequenzen. Es gibt, vom abwesenden Gott einmal abgesehen, auch keine Hauptfigur, sondern viele einzelne Szenen mit wechselndem Personal.

Selbstmorde

Zu Beginn hat Gott die Gestalt einer jungen Frau vom Volksstamm der Dinka angenommen, die in einem sudanesischen Flüchtlingslager ums Leben kommt. Dann wird eine High-School-Absolventin Zeugin vom Selbstmord eines Priesters, dann beschließt eine Jugendgang, sich gegenseitig angesichts ihrer aussichtslosen Lage (viele Elternteile gestorben, keine Lebensmittversorgung, kein Strom) zu töten.

Behörde zur Unterbindung des Kinder-Kults

Im nächsten Kapitel schildert ein Psychologe der “Behörde zur Unterbindung des Kinder-Kults”, wie er sein Leben gegen die aufgebrachten Eltern schützen muss, welche das spirituelle Vakuum mit der Anbetung ihrer Kinder aufzufüllen versuchen. Ein kleines Kapitel widmet sich dem grassierenden Alkoholismus, dann führt der Autor ein “extrasensorisches” Interview mit einem der Hunde, die von Gottes Fleisch gefressen haben und daraufhin intelligent (und/oder göttlich) wurden, und schließlich erfahren wir vom Krieg der Postmodernen Anthropologen gegen die Evolutionspsychologen.

Das wird mit großer Suggestivkraft geschildert und auch (Klappentext) “schwarzhumorig und grotesk”. Und selbst wenn man Curries Schlussfolgerungen fragwürdig oder was auch immer findet, so war Gottes Tod auf jeden Fall Anlass für ein viel versprechendes Debüt.

Von Werner Schuster
Infos:

Ron Currie jr. wurde 1975 in Maine geboren, wo er auch seine Jugend verbrachte. Um mehr Zeit für seine Leidenschaft, das Schreiben, zu haben, brach er sein Studium ab und lebte von Aushilfsjobs. So arbeitete er mehrere Jahre lang als Koch in Schnellrestaurants und publizierte in seiner Freizeit Kurzgeschichten in verschiedenen Zeitschriften wie »Glimmer Train«, »The Sun« und »Other Voices«. Ron Currie lebt heute in Waterville, Maine.

Über Ronald F. Currie [6] bei Randomhouse.