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Hackl, Erich: König Wamba

Kurzkritik [1]Was meinen Sie? [2]Ausführliche Besprechung [3]Infos [4]

Buchcover
Literarisches Märchen
Mit Zeichnungen von Paul Flora
Taschenbuch: Diogenes, 1991
Inhalt:

Das Märchen vom König Wamba führt von der Kälte des Alltags in die trügerische Wärme des Vergessens. Erich Hackl erzählt von wallenden Bärten und nackten Wangen, von List und Gewalt, von Nah und Fern. Seine “Poesie mit Gesinnung” (Wiener Zeitung) zeigt sich auch in der Geschichte um den Westgotenkönig Wamba, die so endet wie jedes wahre Märchen: versöhnlich bis auf Widerruf. (Pressetext)

Kurzkritik:

Zu dieser launig erzählten Geschichte hat Paul Flora ebensolche Illustrationen in seiner unverkennbaren Strichtechnik gezeichnet. Und hier also hat Erich Hackl einmal den Fiktionen mehr vertraut als den Fakten.

Besprechung:

Alle Männer hatten Bärte

Vor Zeiten, als die Menschen beim Küssen noch die Augen offen hielten, zum Leuchten nur Glühwürmchen und Pechfackeln hatten … – vor eintausenddreihundertdreizehn Jahren also lebten in einem Land, dessen Name mir entfallen ist, das Volk der Goten.

Alle Männer hatten Bärte – die Jäger und der Hofdichter, der Graf und der Herzog. Doch ihr König, der Wamba hieß, besaß von allen den längsten Bart.

Zwischen “Abschied von Sidonie” und “Sara und Simón” hat Erich Hackl dieses für ihn – zumindest meines Wissens nach – einzigartige Buch geschrieben: ein Märchen, das sich im – 1991 noch “offizielleren” – Geschlechtkampf auf die Seite der Frauen schlägt.

Bartlose Diener

Die Männer wollen in ein wärmeres Land ziehen und landen (wenn ich das richtig verstanden habe) nach einer abenteurlichen Reise wieder in ihrem Dorf, doch können weder sie noch ihre Frauen sich aneinander erinnern. In seiner “übergroßen Güte” ernennt König Wamba die Frauen zu seinen Untertanen, die den Goten, also den Männern, ab sofort dienen müssen.

Der Grund? – “Ihr müsst uns bedienen, weil ihr keinen Bart habt. Es ist nämlich so: Die Herren haben Bärte, und die Diener sind bartlos.”

Nicht nachwachsende Bärte

Die Frauen fügen sich anfangs in ihr Schicksal, versuchen ihre Knechtschaft dann aber mit verschiedenen Listen zu beenden, bis sie auf die Idee kommen, den Männern ihre Bärte abzuscheiden, während diese schlafen. Wundersamerweise wachsen diese Bärte nicht nach und wegen der “rosigen Wangen der Frauen, ihren vollen Lippen, den verführerischen Grübchen – und der heimlichen Hoffnung, dass ihnen bald wieder ein Bart wachsen würde –”, bleiben die Goten.

Ab sofort arbeiten Männer und Frauen – und wenn den Goten kein Bart mehr gewachsen ist, dann leben sie so noch heute.

Zu dieser launig erzählten Geschichte hat Paul Flora ebensolche Illustrationen in seiner unverkennbaren Strichtechnik gezeichnet. Und hier also hat Erich Hackl einmal den Fiktionen mehr vertraut als den Fakten.

Von Werner Schuster
Infos:

Über Paul Flora [5] und Erich Hackl [6] bei Wikipedia.