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Hesse, Hermann: Kurgast

Kurzkritik [1]Was meinen Sie? [2]Ausführliche Besprechung [3]Infos [4]

Buchcover
Aufzeichnungen von einer Badener Kur

Suhrkamp
(1925)
Inhalt:

Eine Badereise mit ihren tragikomischen Alltäglichkeiten wird dem Dichter zum Anlaß, das Zusammenleben der Menschen in einer Folge von gutgelaunten, idyllischen, philosophisch beschaulichen Szenen zu durchleuchten. Mit Entzücken sieht der Leser durch den lebenschaffenden Blick des Dichters in diesem Mikrokosmos die Formenfülle und Merkwürdigkeit der Welt. (Pressetext)

Kurzkritik:

Mit manchen Menschen lässt sich vortrefflich darüber streiten, ob Hermann Hesse nun vornehmlich ein Schriftsteller für die Jugendlichen und jungen Erwachsenen ist oder nicht. Bei solchen Diskussionen muss man den “Kurgast” allerdings ausklammern. Denn diese “Aufzeichnungen von einer Badener Kur” erschließen sich, so glaube ich, erst, wenn den LeserInnen allmählich die Erkenntnis kommt, dass sie nicht für die Ewigkeit gemacht sind, sprich: Wenn die ersten kleinen körperlichen Verfallserscheinungen wahrgenommen worden sind.

Besprechung:

Zwischen “Siddhartha” und “Steppenwolf”

Mit manchen Menschen lässt sich vortrefflich darüber streiten, ob Hermann Hesse nun vornehmlich ein Schriftsteller für die Jugendlichen und jungen Erwachsenen ist oder nicht. Bei solchen Diskussionen muss man den “Kurgast” allerdings ausklammern. Denn diese “Aufzeichnungen von einer Badener Kur” erschließen sich, so glaube ich, erst, wenn den LeserInnen allmählich die Erkenntnis kommt, dass sie nicht für die Ewigkeit gemacht sind, sprich: Wenn die ersten kleinen körperlichen Verfallserscheinungen wahrgenommen worden sind.

Genauso erging es Hesse mit 46 Jahren, sozusagen zwischen “Siddhartha” und “Steppenwolf”, als er sich wegen Ischias auf Kur begab und währenddessen seine Erlebnisse beschrieb. Schmerzlich amüsant ist es zu lesen, wie er sich anfangs für einen der Gesündesten hält, dann absteigt in eine “Lethargie”, um schließlich neuen Mut zu schöpfen – und das nicht nur, was seinen Körper anbelangt.

Denn für Hesse bedeutete Lethargie schon, einem Kurkonzert zuzuhören, sich im Glücksspiel zu versuchen, oder auch nur, nicht zu lesen. Und Mut schöpfte er daraus, dass er sich vornahm, nicht mehr den “Bürgerlichen” zu spielen.

Es gibt zwei Wege zur Erlösung: den Weg der Gerechtigkeit, für die Gerechten, und den Weg der Gnade, für die Sünder. Ich, der ich ein Sünder bin, habe wieder den Fehler begangen, es mit der Gerechtigkeit zu versuchen.

Es steckt noch viel mehr in diesem schmalen Buch als – nun, sagen wir – der romantische Revoluzzer Hesse, und in wahrscheinlich jedem Alter wird man etwas Neues entdecken. Doch für alle Altersstufen vergnüglich ist auf jeden Fall das Kapitel “Der Holländer”. Es geht um einen störenden Nachbarn, wie Hesse allmählich beginnt, diesen zu hassen, und dass er eine Nacht lang daran arbeitet, ihn zu lieben, damit er ihm nichts mehr anhaben kann.

Mein Triumph war groß, doch genoss ich ihn nicht lange. Am zweiten Morgen nach der Siegesnacht reiste der Holländer plötzlich ab, womit wieder er zum Sieger wurde, und ließ mich sonderbar enttäuscht zurück, da ich für meine schwer errungene Liebe und Unanfechtbarkeit nun keine Verwendung mehr hatte. Seine Abreise, die ich einst so innig herbeigesehnt hatte, tat mir nun beinahe weh.

Von Werner Schuster
Infos:

Hermann Hesse, geboren 1877 in Calw/Württemberg als Sohn eines baltendeutschen Missionars und der Tochter eines württembergischen Indologen, starb 1962 in Montagnola bei Lugano. Er wurde 1946 mit dem Nobelpreis für Literatur, 1955 mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnet. Nach einer Buchhändlerlehre war er seit 1904 freier Schriftsteller, zunächst in Gaienhofen am Bodensee, später im Tessin.

Über Hermann Hesse [5] bei Wikipedia.