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Aitmatow, Tschingis: Abschied von Gülsary

Kurzkritik [1]Was meinen Sie? [2]Infos [3]

Cover Guelsary AitmatowRoman
Aus dem Russischen von Leo Hornung
Unionsverlag (1985; Taschenbuch 1992)
Inhalt:

Der alte Tanabai ist mit seinem Hengst Gülsary auf dem nächtlichen Heimweg in die kirgisischen Berge. Nach einem stürmischen Leben wird dies ihr letzter Gang.Beide sind müde geworden. Wie an Stationen eines Kreuzwegs brechen die Bilder der Vergangenheit hervor, die hitzigen Jahre des Aufbaus und des Weltkriegs, als die Steppe urbar gemacht und aus den Trümmern eine neue Welt aufgebaut wurde. Erinnerungen an ihre Feste, an die Reiterspiele, in denen sie gemeinsam siegten, an ihre großen und kleinen Romanzen. Und dann die Stationen des Abstiegs, der Enttäuschungen, der verständnislosen Funktionäre, die den Prachthengst an die Leine legten und seinen Reiter in die Berge schickten. (Pressetext)

Kurzkritik:

“Gülsary war Passgänger von Geblüt, und sein herrlicher Passgang hatte ihm viele gute und bittere Tage eingebracht. Früher wäre es niemandem eingefallen, ihn anzuspannen. Das wäre einer Schändung gleichgekommen. Aber in der Not trinkt ein Pferd auch mit Zaumzeug, wie man so sagt, und in der Not durchwandert ein Mann auch in Stiefeln die Furt.”

Wer außer Tschingis Aitmatow könnte eine herzergreifende, gleichermaßen poetische wie politische Erzählung wie “Abschied von Gülsary” schreiben? Ein alter Mann nimmt Abschied von seinem Pferd, also mehr oder weniger von seinem Leben, lässt dieses Revue passieren und kritisiert en passant (im Jahr 1967!) die Zustände in der damaligen Sowjetunion – aus der Sicht eines ehemaligen kirgisischen Nomaden. All das hat Platz und Raum in diesem Stück Prosa, geschrieben mit knappen, treffenden Worten, nichts wirkt aufgesetzt, eins ergibt das andere. Für manche ist dies das Hauptwerk von Aitmatow, den man sonst vielleicht eher als Autor der Liebesgeschichte “Dshamilja” kennt.

Infos:

Tschingis Aitmatow arbeitete als Veterinärmediziner auf dem Experimentiergut des Viehzuchtforschungsinstituts von Kirgisien. Er hatte bereits einige kleinere Erzählungen veröffentlicht und absolvierte 1956 ein Praktikum am Maxim-Gorki-Literaturinstitut in Moskau. Als Diplomarbeit verfaßte er eine Geschichte, gab ihr den Titel “Dshamilja”, und seither geht sie um die ganze Welt.

Über Tschings Aitmatow [4] bei Wikipedia.