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Kieseritzky, Ingomar von: Kleiner Reiseführer ins Nichts

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Cover Kieseritzky Kleiner Reiseführer ins NichtsRoman
Klett-Cotta (1999)
Kurzkritik:

Ein Buch wie ein Rausch: Nicht nur der Protagonist und Ich-Erzähler Alfred Kacz ist dem steten Konsum von Alkohol unter keinen Umständen abgeneigt, auch beinahe das gesamte übrige Personal in Ingomar von Kieseritzkys Roman „Kleiner Reiseführer ins Nichts“ läßt sich gerne einen guten Tropfen schmecken, es kann auch ein weniger guter sein, Hauptsache, es ist mindestens eine ganze Flasche davon vorhanden. Anders formuliert: In wenigen Büchern wird von der ersten bis (fast) zur letzten Seite dermaßen viel und konsequent gesoffen.

Besprechung:

Das Leben der akademischen Alkoholiker

Ein Buch wie ein Rausch: Nicht nur der Protagonist und Ich-Erzähler Alfred Kacz ist dem steten Konsum von Alkohol unter keinen Umständen abgeneigt, auch beinahe das gesamte übrige Personal in Ingomar von Kieseritzkys Roman „Kleiner Reiseführer ins Nichts“ läßt sich gerne einen guten Tropfen schmecken, es kann auch ein weniger guter sein, Hauptsache, es ist mindestens eine ganze Flasche davon vorhanden. Anders formuliert: In wenigen Büchern wird von der ersten bis (fast) zur letzten Seite dermaßen viel und konsequent gesoffen.

Und so klug schwadroniert. Denn im „kleinen Reiseführer“ haben wir es mit akademischen (oder zumindest halbgebildeten) Alkoholikern zu tun, welche sich noch nicht ganz arbeitsunfähig getrunken haben. Kacz zum Beispiel wohnt anfangs in einer Pension im englischen Brighton und widmet sich mit Hingabe – neben einer akribischen Feldforschung an den Mäusefamilien in seinem Zimmer – diversen Studien wie etwa „Der Pantoffelsarkophag in Kunst, Leben & Geschichte“ oder „Die Reisen Alexanders des Großen als Leiche“. Seine – dem Alkohol und/oder sektiererischer Forschung verfallenen – Mitbewohner veröffentlichen ab und zu sogar eine schriftliche Arbeit, doch Brotberufe haben sie allesamt keine; Geldprobleme auch nicht. Kacz etwa wird von seinem Vater finanziell unterstützt – und dieser reißt ihn auch aus seiner beduselten Geschäftigkeit heraus. In einem wirren Brief fordert der Sterbenskranke den Sohn auf, sein Bestattungsinstitut in Berlin zu übernehmen.

Eine Wesenheit namens Holden

In der deutschen Hauptstadt angekommen, findet Kacz einen dem Alkohol auch nicht gerade abholden Vater vor, welcher an einer sogenannten Pickschen Krankheit laboriert und von angeblichen Geistererscheinungen heimgesucht wird. Eine Wesenheit namens Holden gibt abstruse Anweisungen, wie das marode Bestattungsunternehmen zu retten sei. Kacz versucht es ohne Erfolg, hat er doch nicht nur mit seiner Sucht zu kämpfen, sondern auch mit einem ausgesucht sonderbaren Personal – darunter sogar zwei Abstinenzler.

Fröhliche Gelassenheit

Eine davon ist die Krankenschwester Margot, und Kacz verliebt sich in sie ebenso vergeblich wie in beide Zwillingsschwestern Plummer aus der englischen Pension. – Denn alles, was Kacz unternimmt, ist vergeblich. Schwer zu sagen, ob er trinkt, weil er immer scheitert, oder scheitert, weil er immer trinkt. Auf jeden Fall verhilft ihm der Alkohol zu jener fröhlichen Gelassenheit, mit welcher er seine nutzlose Bildung verströmt.

Dauerrausch ohne Nebenwirkungen

Am Schluß liegt Kacz nach einem Geburtstagsgelage in einem Sanatorium für mittelschwere Fälle und weiß nicht so recht, welche seiner Besucher er für real halten soll oder nicht. Dem Leser ergeht es ähnlich. Da sich die verwunderlich-befremdende Handlung schließlich in ein Delirium tremens auflöst, darf man rätseln, ob man sein Amüsement von Anfang an Kacz‘ Säuferwahn zu verdanken hatte oder nicht. Wer will, kann also an einem Dauerrausch partizipieren – und sich die Nebenwirkungen ersparen.

Werner Schuster, erschienen 1999 im Presse-Spectrum.
Infos:

Über Ingomar von Kieseritzky [5] bei Wikipedia.