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Le Carré, John: Empfindliche Wahrheit

Thriller
Hardcover, E-Book
400 Seiten
Erschienen 2013 bei Ullstein
Übersetzt von Sabine Roth
Originalausgabe: „A Delicate Truth”, 2013

Kurzkritik [1]Was meinen Sie? [2]Ausführliche Besprechung [3]Infos [4]
Inhalt:

In der britischen Kolonie Gibraltar findet eine streng geheime Anti-Terror-Operation statt: Ein islamistischer Waffenkäufer soll entführt werden. Die Drahtzieher: Fergus Quinn, ein hochrangiges Regierungsmitglied, und Jay Crispin, Chef einer internationalen Sicherheitsfirma. Toby Bell, ein Mitarbeiter Quinns, stolpert über die geheime Aktion. Irgendetwas ist an der Sache faul und soll vertuscht werden. Seine Nachforschungen bringen ihn in eine gefährliche Lage. Toby muss sich zwischen seinem Gewissen und der Verpflichtung gegenüber dem britischen Geheimdienst entscheiden. (Pressetext)

Kurzkritik:

Und wieder stößt uns Le Carré mit der Nase auf ein brisantes Thema, das von allgemeinem Interesse sein sollte, auch wenn es weit jenseits unserer Einflussbereiche liegt. Abgesehen vom Inhalt ist das eine Freude zu lesen.

Besprechung:

Für ein getötetes Kind nichts,
für Paul der Ritterschlag

Und wieder stößt uns Le Carré mit der Nase auf ein brisantes Thema, das von allgemeinem Interesse sein sollte, auch wenn es weit jenseits unserer Einflussbereiche liegt. Abgesehen vom Inhalt ist das eine Freude zu lesen.

Le Carré ist nicht nur ein Meister seines Fachs, bei aller niveauvollen, spannenden Unterhaltung, die er uns mit seinen Büchern bietet, ist er auch näher an der Wirklichkeit als so manche, heutzutage mehr gefeierten Thriller-KollegInnen. Und als die von der „Große Literatur“-Abteilung sowieso.

„Empfindliche Wahrheit“ handelt davon, was Mark Mazzetti in seinem (nahezu zeitgleich erschienenen) Buch „Killing Business – Der geheime Krieg der CIA“ beschreibt: Während das (US-)Militär nach 9/11 in die Grauzonen der Außenpolitik hineingezogen wurde und mit Kommandoeinheiten Spionageeinsätze durchführt, haben Geheimdienste immer mehr Aufgaben übernommen, die traditionell dem Militär zugeordnet werden und bei denen sich Spione in Soldaten verwandeln. Außerdem vergeben Geheimdienste einige ihrer wichtigsten Aufträge an private Unternehmen. Diese werden für Spionagemissionen, für die Nachrichtenanalyse und als Hilfspersonal für die Einsätze engagiert.

Ein voller Erfolg?

Bei Le Carré findet in der britischen Kolonie Gibraltar eine streng geheime Anti-Terror-Operation statt: Ein islamistischer Waffenkäufer soll entführt werden. Drahtzieher sind Fergus Quinn, ein hochrangiges Regierungsmitglied, und Jay Crispin, Chef einer internationalen Sicherheitsfirma. Für Quinn vor Ort ist der Diplomat Chistopher Probyn unter dem Decknamen Paul Anderson. Man kann davon ausgehen, dass Christopher/Paul deswegen ausgewählt wurde, weil er keinerlei Erfahrung mit Geheimmissionen hatte.

Christopher/Paul bekommt nicht mit, wie die Operation ausgeht; man sagt ihm, sie sei ein voller Erfolg gewesen. Jedenfalls wird er für seine Teilnahme mit dem Ritterschlag und einem gemütlich-einträglichen Posten auf einer Karibikinsel belohnt. Jahre später wird er, wieder zurück in Großbritannien, von einem der damals beteiligten Soldaten namens Jeb aufgespürt, der ihm folgende Nachricht hinterlässt:

Für eine getötete Mutter nichts.
Für ein getötetes Kind nichts.
Für einen Soldaten, der seine Pflicht getan hat, das Aus.
Für Paul der Ritterschlag.

Pflicht oder Wahrheit

Währenddessen ist Toby Bell, ein Mitarbeiter Quinns, über die geheime Aktion gestolpert. Toby merkt, dass an der Sache etwas faul ist und vertuscht werden soll. Er setzt seine Karriere aufs Spiel und nimmt Kontakt mit Christopher auf. Den plagt sein schlechtes Gewissen, nachdem ihm Jeb berichtet hat, was damals in Gibraltar wirklich geschehen ist. Aber haben diese Drei eine Chance gegen die Verbündeten aus Politik, Geheimdienst und internationalen Sicherheitsunternehmen?

Abgesehen vom Inhalt ist das eine Freude zu lesen. Wie Le Carré die Vorgeschichten mit-erzählt, während er die Handlung vorantreibt, immer am Punkt, nie zu viel oder zu wenig berichtend. Und wie er seine Charaktere aus wechselnder Distanz beschreibt, ohne ihnen zu nahe zu kommen (d.h. ohne so zu tun, als könnte er in ihre Seelen schauen). Wie er ihre Beweggründe glaubwürdig und plausibel schildert, ohne dabei platt psychologisch zu sein.

Und wieder stößt er uns mit der Nase auf ein brisantes Thema, das von allgemeinem Interesse sein sollte, auch wenn es weit jenseits unserer Einflussbereiche liegt.

Von Werner Schuster

Infos:

John le Carré, geboren 1931 in Poole, Dorset, studierte in Bern und Oxford Germanistik, bevor er in diplomatischen Diensten u. a. in Bonn und Hamburg tätig war. “Der Spion, der aus der Kälte kam” begründete seinen Weltruhm als Bestsellerautor. Der Autor lebt mit seiner Frau in Cornwall und London.

Mehr über le Carré [5] bei Wikipedia.