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Eichendorff, Joseph von: Gedichte

Kurzkritik [1]Was meinen Sie? [2]Ausführliche Besprechung [3]Infos [4]

Gedichte
Taschenbuch
140 Seiten
Erschienen 2005 bei Reclam

Inhalt:

Eine repräsentative Auswahl aus Joseph von Eichendorffs lyrischem Werk war schon immer unverzichtbarer Bestandteil der Universal-Bibliothek. Sie ist nun ganz neu erstellt (kommentiert und mit einem Nachwort versehen) von Peter Horst Neumann, Germanist und Lyriker zugleich. (Pressetext)

Interpretationen
Taschenbuch
214 Seiten
Erschienen 1986 bei Reclam

Inhalt:

Eichendorffs 14 schönste Gedichte wurden für diesen Band neu interpretiert. Dabei werden jeweils zwei Gedichte mit gleichen Motiven einander zugeordnet: Aufschwung und Untergang, Einklang und Dissonanz (“Mondnacht”, “Zwielicht”) – Ewige Fremde, ewige Rückkehr (“Heimweh”, “Rückkehr”) – Utopie und Verzweiflung (“An die Oder”, “Der irre Spielmann”) – Eichendorffs Eros (“Lockung”, “An Luise”) und andere Interpretationen mehr. (Pressetext)

Kurzkritik:

Peter Horst Neumann feiert in seiner Gedicht-Auswahl Joseph von Eichendorff als „meistgesungenen Dichter der deutschen Romantik“ und Gert Sautermeister lässt LiteraturwissenschaftlerInnen jeweils zwei gegensätzliche Eichendorff-Gedichte über dasselbe Motiv interpretieren.

Besprechung:

Triffst du nur das Zauberwort

Peter Horst Neumann feiert in seiner Gedicht-Auswahl Joseph von Eichendorff als „meistgesungenen Dichter der deutschen Romantik“ und Gert Sautermeister lässt LiteraturwissenschaftlerInnen jeweils zwei gegensätzliche Eichendorff-Gedichte über dasselbe Motiv interpretieren.

Als das gemeinschaftliche Singen noch zu den häuslichen und schulischen Selbstverständlichkeiten unserer Kultur gehörte, durfte von Eichendorff gesagt werden, dass er jedem schon vor seiner ersten Lektüre begegnet war, meistens „inkognito“ in Liedern, die einmal als Volkslieder galten. Hundertfach sind seine Gedichte als Chor- und Klavierlieder vertont worden, er ist der meistgesungene Dichter der deutschen Romantik. Sieht man von seinen Sonetten ab, deren beste Meisterwerke der Verskunst sind, so ist Eichendorffs Poesie zum größten Teil Sangeslyrik.

Dies schreibt Peter Horst Neumann zu den von ihm bei Reclam herausgegebenen Eichendorff-Gedichte-Ausgabe. Und er teilt seine Auswahl ein in „Dichter, Wanderer, Spielmann, Sänger“, „Eros, Magie, Gottvertrauen“, „Der Dichter als Zeitgenosse“ und „Gedichte aus biografischen Anlässen“. Stellvertretend sei hier das Gedicht „Wünschelrute“ wiedergegeben:

Schläft ein Lied in allen Dingen,
Die da träumen fort und fort,
Und die Welt hebt an zu singen,
Triffst du nur das Zauberwort.

Gegensatz und Widerspruch

In einem weiteren Reclam-Band werden jeweils zwei Gedichte zu einem Paar zusammengefügt, das durch ein bestimmtes, klar erkennbares Motiv ausgewiesen ist. Die Nacht, der Wald, die Heimat, die Fremde, Aufbruch und Sehnsucht, der Eros sind eindeutige Motive in der Lyrik Eichendorffs. „Aber keines dieser Motive ist eindeutig fixiert,“ schreibt Herausgeber Gert Sautermeister, „jedes entfaltet unterschiedliche Bedeutungen, ja, ihre Unterschiedlichkeit kann sich zum Gegensatz und Widerspruch steigern.“

Eine paarweise Anordnung und Interpretation der Gedichte soll Eichendorff „vor der Gefahr der Harmonisierung und Idyllisierung schützen.“ D.h. dass sich sechs LiteraturwissenschaftlerInnen jeweils zwei Gedichte zum selben Themenkreis, aber mit widersprüchlichem Gehalt auseinandersetzen: „Mondnacht“ und „Zwielicht“, „Abschied“ und „Warnung“, „Heimweh“ und „Rückkehr“, „In der Fremde“ und „Schöne Fremde“, „An die Oder“ und „Der irre Spielmann“ sowie „Lockungen“, „An Luise“, „Verlorene Liebe“ und „Kirchenlied“.

Verlorene Liebe

Weil es ein einzigartiges Eichendorff-Gedicht ist, sei hier noch „Verlorene Liebe“ angeführt. Erstens kommt darin eine Prostituierte vor und zweitens schreibt Sautermeister: „Zur Realistik des inneren Vorgangs, in dem eine trauernde Liebe unversehens von sexueller Lust ereilt wird, gesellt sich die Realitätsnähe städtischer Signale, (…) erwähnenswert ob ihrer Seltenheit in der deutschen Lyrik bis 1880.“

Lieder schweigen jetzt und Klagen,
Nun will ich erst fröhlich sein,
All mein Leid will ich zerschlagen
Und Erinnern – gebt mir Wein!
Wie er mir verlockend spiegelt
Sterne und der Erde Lust,
Stillgeschäftig dann entriegelt
All die Teufel in der Brust,
Erst der Knecht und dann der Meister,
Bricht er durch die Nacht herein,
Wildester der Lügengeister,
Ring mit mir, ich lache dein!
Und den Becher voll Entsetzen
Werf ich in des Stromes Grund,
Daß sich nimmer dran soll letzen
Wer noch fröhlich und gesund!

Lauten hör ich ferne klingen,
Lustge Bursche ziehn vom Schmaus,
Ständchen sie den Liebsten bringen,
Und das lockt mich mit hinaus.
Mädchen hinterm blühnden Baume
Winkt und macht das Fenster auf,
Und ich steige wie im Traume
Durch das kleine Haus hinauf.
Schüttle nur die dunklen Locken
Aus dem schönen Angesicht!
Sieh, ich stehe ganz erschrocken:
Das sind ihre Augen licht,

Locken hatte sie wie deine,
Bleiche Wangen, Lippen rot –
Ach, du bist ja doch nicht meine,
Und mein Lieb ist lange tot!
Hättest du nur nicht gesprochen
Und so frech geblickt nach mir,
Das hat ganz den Traum zerbrochen
Und nun grauet mir vor dir.
Da nimm Geld, kauf Putz und Flimmern,
Fort und lache nicht so wild!
O ich möchte dich zertrümmern,
Schönes, lügenhaftes Bild!

Spät von dem verlornen Kinde
Kam ich durch die Nacht daher,
Fahnen drehten sich im Winde,
Alle Gassen waren leer.
Oben lag noch meine Laute
Und mein Fenster stand noch auf,
Aus dem stillen Grunde graute
Wunderbar die Stadt herauf.
Draußen aber blitzts vom weiten,
Alter Zeiten ich gedacht´,
Schaudernd reiß ich in den Saiten
Und ich sing die halbe Nacht.
Die verschlafnen Nachbarn sprechen,
Daß ich nächtlich trunken sei –
O du mein Gott! und mir brechen
Herz und Saitenspiel entzwei!

Von Werner Schuster

Infos:

Joseph Freiherr von Eichendorff wurde 1788 auf Schloss Lubowitz in Oberschlesien geboren. Der Sohn eines preußischen Offiziers und Landedelmanns genoss eine aristokratisch-katholische Erziehung durch einen geistlichen Hauslehrer. Während seines Studiums der Rechtswissenschaften und der Philosophie in Halle kam er mit den romantischen Dichtungen von Novalis u.a. in Berührung. Noch vor Abschluss des Studiums wanderte er durch Deutschland und reiste nach Paris, wobei er 1808 in Heidelberg Arnim und Brentano begegnete und in Berlin Fichtes Vorlesungen hörte. Nach 1816 war Eichendorff im preußischen Staatsdienst tätig, ließ sich aber 1844 aufgrund konfessionell bedingter Meinungsverschiedenheiten pensionieren. Der bedeutendste Dichter der deutschen Hochromantik starb 1857 in Neiße, Schlesien.

Mehr über Joseph von Eichendorff [5] bei Wikipedia.