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Alarcón, Daniel: Stadt der Clowns

Erzählungen
Hardcover
192 Seiten
Erschienen 2012 bei Wagenbach
Aus dem Amerikanischen von Friederike Meltendorf

Kurzkritik [1]Was meinen Sie? [2]Ausführliche Besprechung [3]Infos [4]
Inhalt:

Wie schon in seinem großartigen Roman „Lost City Radio“ entwirft Daniel Alarcón in seinen hochgelobten Erzählungen die Szenerie einer Stadt zwischen Verzweiflung und Hoffnung. Für Alarcón gibt es nichts Privates, das nicht zugleich politisch wäre und umgekehrt; das Leben und das alltägliche Überleben seiner Protagonisten und manchmal auch ihr Sterben spiegeln im Kleinen die ungelösten Konflikte einer Gesellschaft im Umbruch. (Pressetext)

Kurzkritik:

Das alles ist gut, einnehmend und gekonnt erzählt. Aber hätte ich „Lost City Radio“ nicht gekannt, hätte ich „Stadt der Clowns“ bestimmt unvoreingenommener und wohlwollender gelesen.

Besprechung:

Bloß „normal sehr gut“

Bitte mich da jetzt nicht misszuverstehen, aber gemessen an seinem Roman „Lost City Radio“ sind die Erzählungen Alarcóns enttäuschend. Damit meine ich nicht, dass sie nicht gut wären, aber sie sind bloß „normal sehr gut“, während der Roman atemberaubend großartig ist.

Das verwundert mich eigentlich, sind Erzählungen doch zumeist kunstfertiger und dichter als Romane geschrieben.

Ein Trick

Doch während in „Lost City Radio“ Gegenwart und Rückblenden nahtlos ineinander übergehen, wirkt dieselbe „Methode“ z. B. in „Die Brücke“ konstruiert: Anfangs schildert Alarcón einen LKW-Unfall, bei dem eine Brücke zerstört wird, und dann die Gegend, in der sich das ereignet hat. Schließlich erwähnt der Ich-Erzähler, dass sein Onkel und seine Tante dort wohnen. Beide sind blind. Dass die bei einem Sturz von der zerstörten Brücke ums Leben kommen, wirkte auf mich wie ein (in diesem Fall eher misslungener) schriftstellerischer Trick.

Bedeutungsvoll

In der Folge springt Alarcón hin und her zwischen dem Leben des Ich-Erzählers und dem seiner verunglückten Verwandten, welche diesem einmal viel bedeutet hatten und die er – wie seine übrige Familie auch – allmählich aus den Augen verloren hat. Schließlich endet „Die Brücke“ mit einem jener anscheinend bedeutungsvollen, aber nicht schlüssigen Sätze, mit denen Erzählungen gerne beendet werden. Nichts hat mich auf „Keine Frage, wir waren unter Wasser“ vorbereitet, das steht so da, unangenehm überraschend, ich versteh‘s nicht, werde es nie verstehen.

Die Kehrseite des Klischees

Doch das klingt jetzt, als hätte mir dieses Buch nicht gefallen. Dem ist nicht so. „Die Brücke“ und die übrigen Erzählungen schildern ein Peru, wie es TouristInnen vielleicht zu sehen bekommen, aber nicht ergründen können. Sie sind quasi die Kehrseite des Klischees lebensfroher SüdamerikanerInnen inmitten schöner Landschaften und weisen ausnahmslos auf die Auswirkungen von Bürgerkrieg und Armut hin.

Landflucht und Soldaten

Wir werden Zeugen davon, was aus den von der Bevölkerung verlassenen Dörfern wird („Gott auf seiner flotten Wolke“), wie ein Slum entsteht („Los Miles“) und wie Kinder zum Betteln geschickt werden („República und Grau“). Wir können uns in Soldaten hineinversetzen („Peru, Lima, den 28. Juli 1979“ und „Krieg bei Kerzenschein“). Und wenn Liebe vorkommt, dann scheitert sie an den ökonomischen Umständen („Eine Wissenschaft fürs Alleinsein“ und „Der König steht immer über dem Volk“).

Weinender Clown

Etwas speziell „Peruanisches“ habe ich nicht ausmachen können. Die Geschichten könnten auch in anderen Ländern mit ähnlichen wirtschaftlichen und politischen Gegebenheiten spielen. Sie sind nicht anklagend geschrieben, verströmen eher Traurigkeit, doch weder Lethargie noch Pessimismus. Auch die Titelgeschichte „Stadt der Clowns“, bei der mir die Verbindung von Korruption, Familiengeschichte mit den bettelnden Clowns allerdings zu gewollt und das Bild vom weinenden Clown zu abgeschmackt sind.

Das alles ist gut, einnehmend und gekonnt erzählt. Aber hätte ich „Lost City Radio“ nicht gekannt, hätte ich „Stadt der Clowns“ bestimmt unvoreingenommener und wohlwollender gelesen.

Von Werner Schuster

Infos:

Das meinen andere [5] (Perlentaucher-Rezensionsnotizen).

Daniel Alarcón, 1977 in Lima geboren, lebt in Oakland / USA. Sein ebenfalls im Verlag Klaus Wagenbach erschienener, in zahlreiche Sprachen übersetzter Erstlingsroman „Lost City Radio“ wurde in Deutschland 2009 mit dem Internationalen Literaturpreis für den besten fremdsprachigen Roman des Jahres ausgezeichnet. Auch in den USA figuriert Alarcón regelmäßig auf verschiedenen Bestenlisten.

Mehr über Daniel Alarcón [6] bei Wikipedia.