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Jones, Sadie: Der ungeladene Gast

  • Roman, Horror
  • Hardcover
  • 320 Seiten
  • Erschienen 2012 bei DVA
  • Aus dem Englischen von Brigitte Walitzek
  • Originalausgabe: „The uninvited guests”

Kurzkritik [1]Was meinen Sie? [2]Ausführliche Besprechung [3]Infos [4]
 

Inhalt:

Ein schöner Frühlingsabend im Jahr 1912: Es ist Emerald Torringtons zwanzigster Geburtstag. Das schon etwas heruntergekommene Sterne-Anwesen blitzt und glänzt, ein großes Dinner mit Freunden der Familie ist geplant. Doch ein Zugunglück, nur einige Meilen entfernt, sorgt dafür, dass eine Schar derangiert aussehender Passagiere vor der Tür steht und Einlass begehrt. Von nun an läuft nichts mehr nach Plan – und dann taucht auch noch ein Nachzügler auf, der ein dunkles Geheimnis mit der Hausherrin teilt. Während draußen ein nächtlicher Sturm heraufzieht, beginnen drinnen Anstand und Dekorum davonzuwehen und dem Chaos den Weg zu bereiten … (Pressetext)

Kurzkritik:

Man kann ja auch gut schreiben können und die Leute „trotzdem“ unterhalten wollen. In Deutschland fällt mir dazu allerdings nur Jörg Juretzka ein – und in England natürlich John le Carré. Und seit Neuestem Sadie Jones. „Der ungeladene Gast“ könnte man als Soft-Horror-Roman bezeichnen – oder als Roman, den Jones im Stile von Horror-Romanen verfasst hat. Das Buch macht in jedem Fall Spaß.

Besprechung:

E oder U?

Man kann ja auch gut schreiben können und die Leute „trotzdem“ unterhalten wollen. In Deutschland fällt mir dazu allerdings nur Jörg Juretzka ein – und in England natürlich John le Carré. Und seit Neuestem Sadie Jones. „Der ungeladene Gast“ könnte man als Soft-Horror-Roman bezeichnen – oder als Roman, den Jones im Stile von Horror-Romanen verfasst hat. Das Buch macht in jedem Fall Spaß.

Nun haben – besonders in Deutschland – viele Menschen ein Problem mit unterhaltsamer Kunst. Die einen werten sie als niveaulos ab, die anderen wollen sie nicht anspruchsvoll.

Derb oder verkrampft

Das sieht man am deutlichsten bei TV-Serien. Während etwa solche aus den USA in der Regel hervorragend konzipiert, aufgebaut und geschrieben (und gespielt) sind – und trotzdem lustig, sind deutschsprachige Produktionen meist weder das eine noch das andere – und oft entweder von derbem oder von verkrampftem Humor.

Anders gesagt: Man muss den US-Humor nicht mögen, aber man muss anerkennen, dass die Serien zumindest gut gemacht sind. Wenn man den Humor deutschsprachiger Serien nicht mag, bleibt nicht viel übrig, das man anerkennen kann.

Ausreiten

Doch zurück zu „Der ungeladene Gast“: Das Buch beginnt wie einer jener oft kopierten viktorianischen Romane, die auf Herrschaftshäusern spielen. Nur hat die Familie Swift (ehemals Torrington, der Hausherr ist gestorben) kein Geld mehr und wird sich bald gezwungen sehen, das Anwesen zu verkaufen.

Während die Geburtstagsfeier der zwanzigjährigen Emerald – mit viel zu wenig Personal – vorbereitet wird, reist Charlottes zweiter Gatte Edward nach London, um sich Geld zu borgen. Doch selbstverständlich reitet Emerald mit ihrem Bruder Clovis morgens aus. Und auch wenn man sich das nicht mehr leisten kann, gibt man sich allgemein dünkelhaft.

Ein früherer Bekannter der Hausherrin

Und so ist das Zugunglück, das sich in der Nähe ereignet, eine lästige Störung. Man bringt die Opfer zwar unter, versorgt sie aber schlecht und sperrt sie gewissermaßen weg. Aus den Augen, aus dem Sinn.

Nun heißt der Roman aber „Der ungeladene Gast“? Wieso Einzahl? – Nun, mit den Opfern des Unglücks kommt ein seltsamer, gleichwohl faszinierender Mann mit, der sich als früherer Bekannter der Hausherrin ausgibt. Das ist er auch, doch die genaueren Umstände darf man nicht verraten.

Schaurig

Jedenfalls, man ahnt es schon, ist in diesem Herrschaftshaus nichts so, wie es scheint, und am Ende einer – milde gesagt – turbulenten Nacht hat sich der Standesdünkel verflüchtigt. Man darf wohl andeuten, dass die Kinder danach jene Partner akzeptieren, zu denen sie passen, und dass sie ihrem bisher belächtelten Stiefvater hinfort mit Achtung begegnen werden.

Horrorfans allerdings werden den Horror-Anteil an diesem Roman wohl nur als Kinderkram abtun. Tatsächlich kommt nichts vor, was ein zehnjähriges Kind nicht schon längst im Fernsehen gesehen hätte. Vielleicht sollte man „Der ungeladene Gast“ denn auch als Schauerroman bezeichnen (– aber wer liest so etwas heute noch?).

Dünkelhaft

Doch darum geht es meiner Meinung nach überhaupt nicht. Jones bedient sich, wie gesagt, bloß der Stilmittel von britischer Herrschaftshaus- und Schauer-Literatur. Sie wollte diese Genres nicht neu erfinden oder wiederbeleben, sondern eine unterhaltsame Geschichte erzählen, die man – ganz undünkelhaft – mit Freude liest.

Schwer zu sagen, ob „Der ungeladene Gast“ dem deutschsprachigen Publikum nicht zu kunstvoll oder zu harmlos ist. Das englischsprachige dürfte mit dem Roman kein Problem haben, dort gibt es keine strikte Trennung in E(rnsthaft) und U(nterhaltsam), Hauptsache, es ist gut gemacht. Und Sadies Roman ist ziemlich gut gemacht.

Von Werner Schuster
Infos:

Leseprobe (PDF) [5]

Buchtrailer [6] bei YouTube, Videotrailer [7] bei Randomhouse

Sadie Jones, 1968 in London geboren, arbeitete als Drehbuchautorin, unter anderem für die BBC. 2005 verfilmte John Irvin ihr Drehbuch „The Fine Art of Love“ mit Jacqueline Bisset in der Hauptrolle. Ihr preisgekröntes Romandebüt „Der Außenseiter“ (2008) wurde in Großbritannien auf Anhieb ein Nr.-1-Bestseller und war auch in Deutschland ein großer Presse- und Publikumserfolg. „Der ungeladene Gast“ ist ihr dritter Roman.

Mehr über Sadie Jones [8] bei Wikipedia (englisch).