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Plath, Sylvia: Johnny Panic …

Kurzkritik [1]Was meinen Sie? [2]Ausführliche Besprechung [3]Infos [4]

Buchcover
  • … und die Bibel der Träume
  • Mit Holzschnitten von Nicole Riegert
  • Erzählungen
  • Hardcover
  • 60 Seiten
  • Erschienen 2011 bei Kunstanstifter


Inhalt:

Das Werk beinhaltet vier Erzählungen der Autorin Sylvia Plath: „Der Schatten“, „Unter den Hummeln“, „Sweety Pie und die Dachrinnenmänner“ sowie „Johnny Panic und die Bibel der Träume“. Die 19 Holzschnittillustrationen stammen von der Illustratorin Nicole Riegert. (Pressetext)

Kurzkritik:

Dieses Buch bietet eine wunderbare Gelegenheit, endlich einmal etwas von Sylvia Plath zu lesen. Der Verlag hat vier beklemmende Erzählungen ausgewählt, die als autobiografisch gelten. Nicole Riegert hat dazu Holzschnitte angefertigt, welche die Erzählungen illustrieren, sich aber dennoch nicht in die Bilder der LeserInnen drängen.

Jedenfalls sollte man die Erzählungen nicht „bloß“ als Ausdruck eines depressiven Menschen lesen, der sich später das Leben nehmen wird.

Besprechung:

Bipolar?

Dieses Buch bietet eine wunderbare Gelegenheit, endlich einmal etwas von Sylvia Plath zu lesen. Der Verlag hat vier beklemmende Erzählungen ausgewählt, die als autobiografisch gelten. Nicole Riegert hat dazu Holzschnitte angefertigt, welche die Erzählungen illustrieren, sich aber dennoch nicht in die Bilder der LeserInnen drängen.

Illustration von Nicole Riegert zu „Unter den Hummeln“

Illustration von Nicole Riegert zu „Unter den Hummeln“

Da ich nicht sehr gut im Bildbeschreiben bin, zitiere ich den Verlag: „Das Immerwiederkehren einzelner Elemente (wie Personen, Orte oder Situationen) in den autobiografischen Texten von Plath wird durch die Stempeltechnik aufgegriffen. Nicole Riegert spielt dabei mit Wiederholungen und (alp)traumhaften Zusammenhängen. Der Text in der robusten amerikanischen Zeitungsschrift aus den fünfziger Jahren spiegelt den Zeitgeistder Erzählungen von Sylvia Plath wieder.“

Die Liebe zur Angst

Wie gesagt, gelten Plaths Texte als autobiografisch. Das muss eine/n beim Lesen allerdings nicht bekümmern. Auf jeden Fall sollte man sie nicht darauf beschränken, Ausdruck eines depressiven Menschen zu sein, der sich später das Leben nehmen wird.

Bei der Titelgeschichte „Johnny Panic und die Bibel der Träume“ funktioniert das allerdings nicht. Hier verschwimmen die Grenzen zwischen Realität und Wahn: Glauben wir, es zu Beginn mit einer Sekretärin in einer Psychiatrischen Klinik zu tun zu haben, die sich für die Träume der PatientInnen interessiert, diese aufschreibt und sammelt, so ist am Ende nicht ganz klar, ob die Ich-Erzählerin nicht selbst eine Patientin ist, von der „Johnny Panic“ Besitz ergriffen hat. Ihr „Lied der Andacht“ geht so:

Das Einzige, was es zu leben gilt, ist die Angst.
Die Liebe zur Angst ist der Anfang der Weisheit.
Das Einzige, was es zu lieben gilt, ist die Angst.
Möge Angst und Angst und Angst überall sein.

„Dein Vater ist ein Deutscher.“

Doch die übrigen drei Erzählungen kann man auch lesen, ohne an „Johnny Panic“ denken zu müssen. In „Der Schatten“ berichtet Sadie Shafer, wie sie als Mädchen einen Nachbarjungen gebissen hat (der auf ihr saß, als seine Schwester Sadie kitzelte). Sie wird nicht nur nicht angehört und über Gebühr schief angesehen, sie wird auch als „Deutsche“ geächtet. – Die Geschichte spielt „in dem Winter, in dem der Krieg anfing“ und Sadies Vater stammt aus Deutschland. Später wird er deswegen in ein Lager gesteckt, und Sadie verliert ihr Gottvertrauen.

„Am Anfang war Alice Denways Vater“ beginnt die Erzählung „Unter den Hummeln“. Tatsächlich erscheint Alice ihr Vater wie ein Gott und sie kann es nicht begreifen, als er plötzlich krank wird und stirbt. – Diese Geschichten funktionieren auch, ohne dass man sie mit der Autorin in Zusammenhang bringt.

„Gut. Mach so weiter.“

Ebenso „Sweety Pie und die Dachrinnenmänner“, die unangenehme oder unheimliche Schilderung eines Besuchs bei einer Freundin von früher. Jede/r kennt die Situation, dass man mit Menschen zusammenkommt, die einem oder einer nicht besonders sympathisch ist, und das verkrampfte Lächeln, das man dabei wahrscheinlich aufsetzt. Nicht jede/r wird deshalb die Tochter der Gastgeberin in ihrer Boshaftigkeit bestärken. Doch deswegen muss man nicht an einer bipolaren Störung leiden wie die Autorin.

Und so weit ich das beurteilen kann, hat auch Nicole Riegert vermieden, in ihren Illustrationen auf Sylvia Plath Bezug zu nehmen.

Von Werner Schuster

Infos:

Autorin:
Sylvia Plath, geboren am 27. Oktober 1932 in Boston, heiratete nach dem Studium 1956 den englischen Lyriker Ted Hughes, mit dem sie zwei Kinder hatte. Am 11. Februar 1963 nahm sie sich in London das Leben.

Mehr über Sylvia Plath [5] bei Wikipedia.

Illustratorin:
Nicole Riegert, geboren 1980, studierte Buchkunst/Grafikdesign an der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig, wo sie anschließend auch ein Meisterschülerstudium absolvierte. 2004 bis 2005 arbeitete sie als Praktikantin in der Grafikagentur „El golpe.Cultura del entorno“ in Sevilla. Seit 2010 ist Nicole Riegert als freie Grafikdesignerin und Illustratorin tätig und zeichnet vor allem für Zeitungs-, Zeitschriften- und Buchverlage.