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Wieninger, Manfred: 223

Kurzkritik [1]Was meinen Sie? [2]Ausführliche Besprechung [3]Infos [4]

Cover Wieninger 223
  • oder Das Faustpfand
  • Tatsachenroman
  • Hardcover
  • 250 Seiten
  • Erschienen 2012 bei Residenz

Inhalt:

Ende April 1945 stranden hunderte jüdische Zwangsarbeiter aus Ungarn auf dem Todesmarsch Richtung Mauthausen in Persenbeug an der Donau. Die Front im Osten wie im Westen ist nahe wie das Ende des Krieges. In Wien ist bereits die Zweite Republik ausgerufen, Adolf Hitler ist tot, da überfällt ein Rollkommando der SS das Auffanglager und richtet in einer Nacht- und Nebelaktion ein Blutbad an – 223 Menschen sterben. Kaum jemand will etwas gesehen oder gehört haben, trotzdem beginnt Revierinspektor Franz Winkler, stellvertretender Kommandant auf verlorenem Posten in der Provinz, zu ermitteln. (Pressetext)

Kurzkritik:

Geht uns das noch etwas an? – Bestimmt. Es gehört zu unserer Geschichte. Ähnliches geschah und geschieht seither weltweit andauernd. Ich denke, auch wir sind durchaus fähig, Geächtete so zu behandeln und umzubringen. Ein Buch wird dies kaum verhindern. Aber man muss immer wieder daran erinnern, wohin Menschen verachtende Ideologien führen.

Besprechung:

Das Massaker von Persenbeug

Ausgemergelte Gestalten schleppen sich – bewacht von Soldaten – durch die Straßen. Es sind Kinder und alte Menschen darunter. Sie sind auf dem Weg zu Arbeitseinsätzen, mehr als zwölf Stunden, sieben Tage die Woche. In kurzen, unbeobachteten Momenten versuchen sie, um Nahrung zu betteln.

Wir schreiben das Jahr 1945 und befinden uns in Wien. Als es mit dem 1000-jährigen Reich zu Ende geht, werden diese jüdischen Zwangsarbeiter auf Straßen in Richtung Mauthausen getrieben. Über 200 davon kommen in einem provisorischen Auffanglager in Persenbeug an der Donau unter.

Keine Chance

Angesichts der nahenden Sowjet- und US-Soldaten versucht ein Revierinspektor, die Zwangsarbeiter „besser“ zu behandeln, d.h. wenigstens mit ein wenig Essen und Trinken. Doch in einer Nacht- und Nebelaktion überfällt ein SS-Rollkommando das Lager, erschießt 223 Juden und zündet die Leichen (oder die noch Lebenden) an. Neun überleben.

Besagter Revierinspektor – er heißt Franz Winkler – will diesen Fall aufklären. Es wird ihm nicht gelingen. Kaum jemand will etwas gesehen oder gehört haben und wenn, dann nichts Relevantes.

Bleibt unaufgeklärt

Die Täter und Hintermänner wurden bis heute nicht ausgeforscht. Die vagen Zeugenaussagen sind verloren gegangen, die Bilder, die ein Fotograf aufgenommen hat, sind verschwunden. Winkler wurde bald versetzt, seine Anzeigen führten nicht zur „Wiederaufnahme“ des Verfahrens.

Dies beschreibt Manfred Wieninger in einem Tatsachenbericht und behilft sich, wo es keine Fakten gibt, mit Fiktion. Im Prinzip hat sich all das Entsetzliche wohl so zugetragen, wie der Autor es schildert.

Bleibt unsere Geschichte

Geht uns das noch etwas an? – Bestimmt. Es gehört zu unserer Geschichte. Ähnliches geschah und geschieht seither weltweit andauernd. Ich denke, auch wir sind durchaus fähig, Geächtete so zu behandeln und umzubringen. Ein Buch wird dies kaum verhindern. Aber man muss immer wieder daran erinnern, wohin Menschen verachtende Ideologien führen.

Von Werner Schuster
Infos:

Das Massaker von Hofamt Priel [5] (PDF)

Todesmärsche im Gau Niederdonau [6]

Manfred Wieninger, geboren 1963 in St. Pölten, lebt ebendort. Studium der Germanistik und Pädagogik. Essays und Reisereportagen für Literatur und Kritik, Wiener Zeitung, Datum u.v.a., aber auch in Buchform, zuletzt: „Das Dunkle und das Kalte. Reportagen aus den Tiefen Niederösterreichs“ (2011). Seine Kriminalromane um den Ermittler Marek Miert erschienen bei Rowohlt und Haymon, zuletzt: „Prinzessin Rauschkind“ (2010).

Mehr über Manfred Wieninger [7] bei Wikipedia.