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Beck, Zoë: Edvard – Mein Leben, meine Geheimnisse

Kurzkritik [1]Was meinen Sie? [2]Ausführliche Besprechung [3]Infos [4]

Cover Beck Edvard
  • Jugendroman
  • Hardcover
  • 192 Seiten
  • Erschienen 2012 bei Baumhaus

Inhalt:

Edvard ist 15, und eines seiner größten Probleme ist: er ist definitiv noch zu wenig Mann und hat viel zu viel Freiräume. Wie soll er bitte bei so toleranten Eltern pubertäre Proteste äußern? Nichts kriegt er wirklich auf die Reihe. Stattdessen Missverständnisse und Nervenzusammenbrüche. Alles ist einfach nur noch peinlich. Edvard schreibt alles über sein Leben und seine Gedanken in einem privaten Blog im Internet nieder, auch seine heimlichen Leidenschaften und Lieben: Astrophysiker will er werden, und es gibt Constanze… Dann die Hammerkatastrophe: Edvards Blog wird aus Versehen öffentlich – nun kann jeder lesen, was in seinem Leben alles passiert und noch viel mehr … (Pressetext)

Kurzkritik:

Was Sie schon immer über die männliche Pubertät im Facebook-Zeitalter wissen wollten, aber nie zu fragen wagten; Edvard erklärt es Ihnen! Und das in einer so unglaublich charmanten und humoristischen Art und Weise, dass Sie dieses Buch nach den ersten Seiten nicht mehr aus der Hand legen werden, sondern darin lustvoll eintauchen wie in einen Facebook-Chat.

Besprechung:

Das merkwürdige Verhalten geschlechtsreifer
Großstädter im Facebook-Zeitalter

Edvard wird bald 15 und ist eigentlich schon ein Mann. Zu den normalen Offline-Problemen wie hormonell bedingtem rasantem Wachstum, Schlacksigkeit, ausbleibendem Stimmbruch und fehlender Brustbehaarung kommen heutzutage die Klippen der Online-Welt von Facebook & Co. dazu. Zum Beispiel, wenn sein Erzfeind und Klassenbeau Henk, der ausgerechnet scharf auf das Mädchen Constanze ist, in die Edvard verliebt ist, diesen nicht nur beim Kotzen auf dem Autobahnrandstreifen fotografiert, sondern das peinliche Foto auch noch auf Facebook öffentlich postet, per MMS an die gesamte Klasse verschickt und ihn lächerlich macht.

Offline hat Edvard außerdem noch mit seinen liberalen und künstlerischen Eltern zu kämpfen; der Vater ist Generalmusikdirektor, die Mutter Kunstgaleristin, und im Urlaub verbringen sie eine Woche auf einem Bio-Bauerhof mit Programmpunkten wie „Heuernte wie zu Großvaters Zeiten“.

Constanze liebt Jason

In dieser bäuerlichen Wüste ist sein Netbook mit WLAN Edvards einzige Rettung. Denn weil sich seine Angebetete vehement weigert, seine Freundschaftsanfragen auf Facebook anzunehmen, hat er sich unter dem coolen Namen Jason Miles ein Pseudo-Profil mit schickem Fremdfoto samt Familienprofilen und Freundschaftsliste amerikanischer College-Studenten angelegt, dessen Anfrage Constanze sofort bestätigt hat. Soll noch mal einer behaupten, Aussehen wäre für Teenager zweitrangig.

Constanze verpeilt die virtuelle mit der realen Welt und als sie sich scheinbar in Jason verknallt, lässt Edvard ihn sterben. Doch weit gefehlt zu denken, damit wäre das Kapitel Jason für sie erledigt, sie steigert sich jetzt erst richtig rein …

Edvard Idol Daniel Tannenbaum

Offline lernt Edvard seinen Nachbarn und sein Buchidol Daniel Tannenbaum kennen, einen ehemaligen Professor für Astrophysik in Harvard. Sie freunden sich an, Tannenbaum wird sein Mentor und Nachhilfelehrer in Physik, Chemie, Mathe und Bio. In der Schule begegnet er der neuen Mitschülerin Karla, die eigentlich aussieht wie ein Junge, und freundet sich mit ihr an.

Gerade, als es offline richtig gut für Edvard läuft und er mit Karli und seinen Kumpeln Arthur, Anselm, dem Punker Piesel und Friends einen Freundeskreis aufbaut, erreicht Tannenbaum die Nachricht, dass ihm der Mietvertrag für sein Haus gekündigt wurde. In der anschließenden Hausbesetzung wächst nicht nur Edvard über sich hinaus, sondern sogar seine Eltern erinnern sich an die Ideale ihrer Jugendzeit, tauen auf und erobern sich ein Stück Anarchismus zurück. Währenddessen entsteht online auf facebook eine riesige Posthum-Community für Jason, bis Edvard die zündende Idee kommt, diese für seine Ziele zu nutzen.

Edits, Smileys und Icons

„Edvard“ ist im Stil eines Blogs geschrieben, den der Protagonist schreibt. Damit ist die Sprache, die Zoë Beck wählt, dicht dran, authentisch, ungeschliffen; enthält Streichungen, Edits, Smileys und Icons; die komplette Online-Klaviatur. Wenn man über Facebook schreibt, dann bitte so!

Dramaturgisch großartig ist die gewählte Gegenbewegung; in dem Maße, in dem Edvard sich von der Online-Welt abwendet und auf das wahre Leben fokussiert, dreht seine Angebetete online auf und der Facebook-Zirkus um den fiktiven Jason nimmt groteske Ausmaße an.

Zwerchfellerschütternd

Der Clou: Humoristisch ist Edvard auf jeder Zeite in seiner tragikkomischen Art absolut zwerchfellerschütternd:

Das mit den Brusthaaren ärgert mich am meisten, weil ich große Hoffnungen darauf gesetzt hatte. Ich war schon immer der Dünnste in der Klasse. Jetzt bin ich noch dünner als die anderen, überrage sie aber um ein paar Meter und habe eine Mädchenstimme. Das wäre noch irgendwie okay gewesen, wenn ich wenigstens Haare auf der Brust bekommen hätte. (…)
In den letzten Wochen habe ich alles probiert, damit mir Brusthaare wachsen, die ich wegrasieren kann. Sogar Papas Koffeinshampoo habe ich jeden Morgen zum Duschen benutzt und extralange auf der Brust einwirken lassen, weil draufsteht, dass es Haarwachstum förderlich ist.
Keine Ahnung, wie ich in Zukunft in der Umkleidekabine überleben soll.

Dazu groteske Szenen zwischen Edvard und seinen Eltern in Sachen Pädagogik und Selbstbestimmung, sein grandios scheiternder Versuch, seine Angebetete mit einem Fake-Profil online auf sich aufmerksam zu machen, und schließlich sein totales Engagement bei der Hausbesetzung für seinen Mentor Tannenbaum machen „Edvard“ zu einem stimmigen Entwicklungsroman im Facebook-Zeitalter.

Fazit

Was Sie schon immer über die männliche Pubertät im Facebook-Zeitalter wissen wollten, aber nie zu fragen wagten; Edvard erklärt es Ihnen! Und das in einer so unglaublich charmanten und humoristischen Art und Weise, dass Sie dieses Buch nach den ersten Seiten nicht mehr aus der Hand legen werden, sondern darin lustvoll eintauchen wie in einen Facebook-Chat.
Uneingeschränkte Leseempfehlung!

Von Daniel Kasselmann
Infos:

Stimmen zum Buch:
„unglaublich toll und lustig“ – Deniz Varli auf buechersturm.blogspot.de
„Ich habe mich allerbestens amüsiert.“ – Buchhandlung Schmitz Junior
„Dieses Buch kann die Lachmuskeln gefährlich strapazieren.“ – auf thacms.blobspot.de
„Der Roman ist turbulent, abwechslungsreich und witzig geschrieben.“ – Wetzlarer Neue Zeitung

Zoë Beck, geboren 1975, wuchs zweisprachig auf und pendelt zwischen Großbritannien und Deutschland. Ihre große Liebe neben der Literatur ist die Musik: Mit drei Jahren begann sie, Klavier zu spielen, gewann bald darauf diverse Wettbewerbe und gab zahlreiche Konzerte. Heute arbeitet sie als freie Autorin, Redakteurin und Übersetzerin und nimmt ihr allererstes Klavier immer noch bei jedem Umzug mit. 2010 erhielt sie den Friedrich-Glauser-Preis in der Sparte “Bester Kurzkrimi”.

Mehr über Zoë Beck auf www.zoebeck.net [5].