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Naldini, Nico: Pier Paolo Pasolini

Kurzkritik [1]Ihre Meinung [2]Ausführliche Besprechung [3]Infos [4]

Buchcover
  • Biografie
  • Taschenbuch
  • 392 Seiten
  • Erschienen 2012 bei Wagenbach
  • Aus dem Italienischen von Maja Pflug
  • Originalausgabe: „Cronaca della vita e delle opere”, 1986

Inhalt:

Eine umfangreiche, reich bebilderte Chronologie zum Leben und Werk Pasolinis, geschrieben vom besten Kenner seiner Biographie. Das Portrait eines ungewöhnlichen, sanften und doch streitbaren Künstlers, der Italien bewegt hat und von ihm bewegt war.

Kurzkritik:

Wenn sie noch erhältlich wäre, könnte Schweitzers Biografie jedenfalls mehr Lust darauf machen, Pasolini zu lesen oder seine Filme anzusehen, wohingegen sich die von Naldini wohl eher für Pasolini-Kenner eignet, die ihr Wissen vertiefen wollen.
Besprechung:

Die Biografie für Kenner

Wer war Pier Paolo Pasolini? – Ein Lyriker, Romanschriftsteller, Kolumnist, Autorenfilme-Macher (und Maler), der Zeit seines Lebens der kommunistischen Partei nahestand, die ihn jedoch wegen seiner Homosexualität ausgeschlossen hatte. Ein politisch engagierter Publizist, der gegen die Gleichmacherei des Neokapitalismus aufgetreten ist und dessen Werk immer wieder für Skandale gesorgt hat. Ein widersprüchlicher Mensch und Künstler, schwer zu fassen und schwer zu beschreiben.

Nico Naldini behalf sich in seiner neu aufgelegten Biografie damit, dass er sich einer These oder Meinung über Pasolini enthielt. Anscheinend wollte er einen Künstler möglichst objektiv darstellen.

Um den Überblick nicht zu verlieren

Das Buch beginnt ohne einleitende Worte mit Pasolinis Eltern, bevor es mit dessen Kindheit in Bologna und den zahlreichen Umzügen und Schulwechseln fortfährt. Auch in der Folge werden Fakten aufgezählt und viele Briefe und Dokumente von oder über Pasolini zitiert. Damit man dabei den Überblick nicht verliert, empfiehlt es sich, vorab eine Kurzbiografie Pasolinis zu lesen (und es wäre von Vorteil, wenn dem Buch eine solche beigefügt worden wäre).

Und es muss jedenfalls eine Heidenarbeit gewesen sein, aus Pasolinis Korrespondenz, aus den Tagebüchern und Werken jene Passagen herauszusuchen, welche seine Lebenslinie illustrieren oder erhellen sollen.

Objektiv – subjektiv – retrospektiv

Otto Schweitzer ist an seine – nur mehr antiquarisch erhältliche – Rowohlt-Monographie subjektiver herangegangen, und jener Pasolini, der uns dort begegnet, mag dem „echten“ vielleicht nur zum Teil ähnlich sein. Es wäre interessant, dieses Bild anhand von Naldinis zur selben Zeit entstandener Biografie zu überprüfen. Fragt sich nur, ob sich jemand heutzutage noch die Mühe macht, wo Pasolinis Werk eher retrospektiv behandelt wird. Von seinen Büchern ist kaum mehr eines (auf Deutsch) erhältlich und die Filme werden eigentlich nur mehr zu bestimmten Anlässen gezeigt.

Auch bei oberflächlicher Betrachtung lässt sich jedoch feststellen, dass Schweitzer Pasolinis Homosexualität ausführlicher thematisiert hat als Naldini. Schweitzer hat auch Pasolinis Werk durchaus kritisch betrachtet, während Naldini eher dessen Entstehung und Rezeption behandelte.

Ein geborenes Genie?

Bei Naldini hat man den Eindruck, Pasolini wäre ein geborenes Genie gewesen, das sich in verschiedenen Bereichen ausgedrückt hat, während Schweitzer drei Lebensabschnitte deutlich voneinander abtrennt: der Lehrer mit schriftstellerischen Ambitionen in Friaul, der immer berühmter und berüchtigter werdende Schriftsteller in Rom und schließlich der Filmemacher.

Davon, dass sich Pasolini, so Schweitzer, kurz vor seiner Ermordung am Übergang zu einem noch nicht definierten vierten Schaffenszyklus befunden haben soll, findet man bei Naldini nichts, dessen Pasolini bei aller Ausführlichkeit seltsam undefiniert bleibt.

Mehr Lust auf Pasolini

Wenn es noch erhältlich wäre, könnte Schweitzers Buch jedenfalls mehr Lust darauf machen, Pasolini zu lesen oder seine Filme anzusehen, wohingegen sich das von Naldini wohl eher für Pasolini-Kenner eignet, die ihr Wissen vertiefen wollen.

Von Werner Schuster

Mehr Infos:

Nico Naldini wurde 1929 in Casarsa im Friaul geboren. Arbeiten im Verlagswesen, als Journalist und beim Film. Lebt heute in Treviso. Veröffentlichte u. a. Gedichte im friaulischen Dialekt.

Mehr über Pier Paolo Pasolini [5] bei Wikipedia.