Kurzkritik [1] – Ihre Meinung [2] – Ausführliche Besprechung [3] – Infos [4]
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Inhalt:
Migranten, Fluch oder Segen. zwischen diesen Polen pendelt die Integrationsdiskussion. Jürgen Bertram, der als Fernsehkorrespondent selbst viele Jahre im Ausland verbrachte, sprach in seiner Hamburger Nachbarschaft mit den Bürgern, die sonst nur Gegenstand von Polemiken, Statistiken oder Seminaren sind. Das Ergebnis seines Spaziergangs durch die Kulturen sind spannende Lebensgeschichten und überraschende Erkenntnisse. (Pressetext)Kurzkritik:
Vorsicht: dieses Buch kann ihre Sichtweise auf MigrantInnen verändern. Die von Sarazzin leider nicht.
Echte „Ausländer“
Dieses Buch wurde als Antwort auf die berühmt-berüchtigten Sarazzin-Thesen geschrieben, als da wären: „Eine große Zahl an Arabern und Türken (..) hat keine produktive Funktion, außer für den Obst- und Gemüsehandel, und es wird sich auch vermutlich keine Perspektive entwickeln“ oder „Ich muss niemanden anerkennen, der vom Staat lebt, diesen Staat ablehnt, für die Ausbildung seiner Kinder nicht vernünftig sorgt und ständig neue kleine Kopftuchmädchen produziert.“
So etwas findet natürlich (?) viele BefürworterInnen, weil es Probleme vereinfacht und Vorurteile als Wahrheiten ausgibt.
Ein positives Vorurteil
Ein positives Vorurteil wäre nun, dass man jene MigrantInnen, die man persönlich kennt, oft von der pauschalen Verurteilung ausnimmt. Etwa: „Aber meine Kellnerin/Kassiererin ist so nett und der Schuster so fleißig.“Der Journalist Jürgen Bertram hat nun nichts weiter getan, als bei seiner Hamburger Wohnungstür hinaus- und auf die Menschen in seiner Umgebung zuzugehen. Daraus ist ein sehr postives Buch entstanden, dem es vielleicht gut getan hätte, wenn Bertram auch ein paar problematische „Fälle“ aufgezeigt hätte.
Problemlösungen und Schicksale
Doch er hat sich mehr auf Problemlösungen konzentriert. Etwa dass die Mitglieder eines Boxclubs – mittlerweile vorwiegend islamischen Glaubens – von der Straße geholt werden und sich austoben können. Oder dass Nahversorgung heutzutage nicht mehr durch einen Tante-Emma-, sondern durch einen „Onkel Ali“-Laden geschieht.Hauptsächlich schildert Bertram persönliche Schicksale: das von besagtem Onkel Ali, den griechischen LokalbesitzerInnen Jota und Jorgos, der algerischen Tanzlehrerin Linda sowie von von pakistanischen, chilenischen und vietnamesischen Flüchtlingen.
Wir und sie
Und ich zumindest betrachte „Menschen mit Migrationshintergrund“ seit der Lektüre anders. Vor Kurzem erst war mir aufgefallen, dass ich sog. Inländer als sympathisch oder unsympathisch kategorisiere, während ich bei anderen fürs Erste stets die Hautfarbe sehe – und dann erst (oder nie) die Menschen „dahinter“.Jetzt frage ich mich statt dessen, wie sehr die Schicksale dieser Menschen denen aus „Onkel Ali & Co.“ ähnlich sein mögen. – Auch noch keine Idealzustand, aber wohl besser als vorher.
Am Stammtisch
In diesem Sinn halte ich Bertrams Reportage für gut und wichtig. Sie wird mir am rechtspopulistischen Stammtisch nicht helfen, doch dass ein Buch eine Sichtweise zu ändern vermag, ist beachtlich und mehr, als Sarazzin je zusammenbringen wird. Der bestätigt die Stammtisch-Demagogie bloß.
Von Werner Schuster
Infos:
Mehr über Jürgen Betram [5] bei Wikipedia.