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Schlösser, Sebastian: Lieber Matz, Dein Papa hat ‘ne Meise

Kurzkritik [1]Was meinen Sie? [2]Ausführliche Besprechung [3]Infos [4]

Buchcover Schloesser Lieber Matz [5]
  • Gebunden
  • 240 Seiten
  • Erschienen 2011 bei Ullstein

Inhalt:

Mit der Diagnose „manisch-depressiv“ landet Sebastian Schlösser in der Psychiatrie. In seinem Buch erzählt er seinem achtjährigen Sohn, was die Krankheit mit ihm gemacht hat – mutig, anrührend und liebevoll.

Kurzkritik:

Das liest sich eher wie eine (frühe) KünstlerInnen-Biographie der Marke „wilder Hund“ denn als das, was auf dem Umschlag angekündigt wird: „was es bedeutet, psychisch krank zu sein; und wie schwierig es ist, seine Meise zu bezwingen“.

Besprechung:

Bloß eine KünstlerInnen-Biographie

Dieses Buch ist eher spurlos an mir vorübergegangen, obwohl mich das Thema „psychische Erkrankungen“ sehr interessiert, weil ich einige Menschen mit manisch-depressiven Symptomen kenne.

Das liegt zum einen daran, dass mir die Form – Briefe an einen Achtjährigen – wie ein Vorwand vorkommt: abgesehen davon, dass das nicht wirklich Briefe an ein Kind sind (aber, o.k.: für später mal), hatte ich den Eindruck, Schlösser benutzt seine „Bekenntnisse“ eher, um sich als Künstler ins Rampenlicht zu stellen, als dass er sich damit tatsächlich etwa von der Seele schreiben würde.

Wilder Hund

Die Briefe wirken schon ehrlich, haben jedoch immer den Beigeschmack von: seht her, was ich nicht schon alles gemacht (d.i. inszeniert) habe und wie „irre“ ich mich dabei nicht aufgeführt habe!

Das liest sich eher wie eine (frühe) KünstlerInnen-Biographie der Marke „wilder Hund“ denn als das, was auf dem Umschlag angekündigt wird: „was es bedeutet, psychisch krank zu sein; und wie schwierig es ist, seine ,Meise‘ zu bezwingen“.

Ein Regisseur wird Jurist

Schlösser beschreibt vor allem, wie sich die manisch-depressive Erkrankung bei ihm ausgewirkt hat, und kaum, wie er sie bezwungen hat. Und ebenfalls nur auf dem Buchumschlag erfährt man, dass er das Inszenieren anscheinend aufgegeben hat und jetzt Jura studiert.

Warum? Vielleicht weil er glaubt, seine Erkrankung besser im Griff zu haben, wenn er nicht mehr kreativ tätig ist? Das ist zwar Spekulation, wäre aber ein interessanter Ansatz gewesen. Dann wäre sein Buch wenigstens wertvoll für KünstlerInnen gewesen. Für psychisch Kranke und deren Angehörige oder FreundInnen ist es das jedenfalls nicht.

Von Werner Schuster
Infos:

Sebastian Schlösser, geboren 1977, war Regieassistent bei Jürgen Gosch und Theaterregisseur u. a. am Deutschen Schauspielhaus Hamburg. Seit seiner Entlassung aus der Psychiatrie studiert er Jura. Mit seiner Frau und seinen beiden Kindern lebt er in Hamburg.