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Volodine, Antoine: Mevlidos Träume

Kurzkritik [1]Was meinen Sie? [2]Ausführliche Besprechung [3]Infos [4]

Buchcover Volodine Mevlidos Traeume [5]


Inhalt:

Mevlido, ein melancholischer Polizist um die 50, lebt inmitten von Kriegsruinen, in einer heruntergekommenen Wohnung voller Spinnen. Riesige Vogelmutanten, Flüchtlinge aus Lagern und Gulags bevölkern die Ghettos der Stadt. Mevlidos über alles geliebte Frau ist vor fünfzehn Jahren, im Krieg aller gegen alle, von Kindersoldaten gefoltert und ermordet worden. (Pressetext)

Kurzkritik:

Wer sich auf diese düstere Endzeitvision einlassen möchte, muss sich auf eine geheimnisvolle „Organisation“ gefasst machen, die zur Auslösung der Weltrevolution Beobachter zu den degenerierenden Menschen schickt, auf eine Hauptfigur, die mehrmals stirbt, auf Racheakte, die mal so, mal so enden. Dazwischen finden sich aber auch absurde Einsprengsel wie die alten, verwirrten Bolschewistinnen, die sinnlose Parolen rufend durch die Straßen ziehen.

Ein kippliges Ebenenspiel, in dem man Realitäten und Träume gegeneinander abwägen kann – und sich nicht vor Spinnen fürchten sollte, denn deren Netze werden zum Ende hin immer dichter.

Besprechung:

Mutierte Riesenhühner picken dich an

Andere Rezensionen zu diesem Roman beginnen damit, dass der Polizist Mevlido in einer Alptraumwelt mit Riesenspinnen und mutierten Vögeln lebt. Oder gleich damit, dass er wiedergeboren wird, um einen Auftrag zu erfüllen. Doch wissen wir das sicher?

Fest steht: In diesem Roman ist das 20. Jahrhundert nur noch eine ferne Erinnerung, aus der nur noch einzelnes überliefert ist (so wird etwa bei einem tödlichen Straßenbahnunfall auf Bulgakows „Meister und Margarita“ verwiesen). Der Roman spielt zum größten Teil in einer Welt, in der sich in überall Spinnen tummeln und man auf der Straße von mutierten Riesenhühner angepickt wird.

Der Protagonist weiß oft nicht, ob er träumt oder wacht

Doch darüber hinaus ist alles Spiel: Der Protagonist Mevlido, der sich bei Ermittlungen in die Suche nach seiner vor zwanzig Jahren ermordeten Frau verstrickt, weiß oft nicht, ob er träumt oder wacht. Später im Roman wird erzählt, dass Mevlido wiedergeboren wurde, um für eine „Organisation“ die Vorgänge unter den Hominiden zu beobachten – doch er kann sich an sein voriges Leben nur noch in vagen Bildern erinnern, seine Auftraggeber können nur in Träumen mit ihm in Kontakt treten und auch das nicht sicher. Auch der Erzähler spielt: manchmal ist er „ich“, der Mevlido beobachtet, hinter ihm geht, manchmal scheint es, dass er Mevlido selbst ist.

Degenerierende Menschen

Wer sich auf diese düstere Endzeitvision einlassen möchte, muss sich auf eine geheimnisvolle „Organisation“ gefasst machen, die zur Auslösung der Weltrevolution Beobachter zu den degenerierenden Menschen schickt, auf eine Hauptfigur, die mehrmals stirbt, auf Racheakte, die mal so, mal so enden. Dazwischen finden sich aber auch absurde Einsprengsel wie die alten, verwirrten Bolschewistinnen, die sinnlose Parolen rufend durch die Straßen ziehen.

Ein kippliges Ebenenspiel, in dem man Realitäten und Träume gegeneinander abwägen kann – und sich nicht vor Spinnen fürchten sollte, denn deren Netze werden zum Ende hin immer dichter.

Von Sabine Schönfellner
Infos:

Das meinen andere [6] (Perlentaucher-Rezensionsnotizen).

Antoine Volodine ist das Hauptpseudonym eines französischsprachigen Romanciers, der 1949 oder 1950 in der Nähe von Lyon geboren wurde. Der Russischlehrer, Übersetzer russischer Literatur und Schriftsteller lebt in Orléans.