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Perera, Anna: Guantanamo Boy

Kurzkritik [1]Was meinen Sie? [2]Ausführliche Besprechung [3]Infos [4]

Buchcover Perera Guantanamo Boy


Inhalt:

Der fünfzehnjährige Khalid, Sohn pakistanischer Einwanderer, führt ein ganz normales Leben in Rochdale, England. Doch das ändert sich schlagartig, als Khalid die Ferien in Pakistan verbringt. Ohne Vorwarnung wird er verhaftet, gewaltsam verhört und nach Guantanamo verschleppt. (Pressetext)

Kurzkritik:

So aber merkt man diesem Roman die gute Absicht an und es wird nicht klar: will Perera aufklären oder berühren? Außerdem hat die Hauptfigur zu wenig Persönlichkeit oder ein allzu beliebiges Profil, als dass man mit ihr leiden würde – man ist eher darüber entsetzt, dass das, was ihr widerfährt, überhaupt möglich ist.

Aber das war man vorher auch schon.

Besprechung:

Ich bin mir nicht sicher, ob sich das Gefangenenlager der Guantanamo Bay Naval Base als Stoff für einen Roman eignet, zumindest nicht in der Form, die Anna Perera gewählt hat.

„Guantanamo Boy“ ist „eine fiktive Geschichte, beruht aber auf wahren Begebenheiten“, ist also weder Dokumentar-, noch Tatsachen-, noch Schlüsselroman. Man weiß nicht, auf welche Dokumente Perera zurückgegriffen hat oder ob es für den Protagonisten Khalid ein konkretes Vorbild gibt.

Ein 15jähriger in Guantanamo

Dafür weiß man wohl ungefähr, wie es im Gefangenenlager in der Guantanamo-Bucht zugeht, – und erfährt bei Perera nichts Neues darüber. Allerdings wollte sie mit ihrem Buch darauf aufmerksam machen, dass sich dort auch Kinder und Jugendliche befinden.

Zu diesem Zweck hat sie jenen 15-jährigen Khalid erfunden, der entführt, misshandelt und ohne Beweise festgehalten wird. Sein Geständnis, ein Terrorist zu sein, kam mittels Waterboarding zustande.

Weit hergeholt

Es ist gewiss schrecklich, diese Foltermethode anschaulich dargestellt zu bekommen, doch ansonsten weiß man nie, was wahr sein könnte und was erfunden ist. Dass Khalid festgenommen wird, weil er bei einem kriegerischen Online-Computerspiel mitgespielt hat, erscheint mir denn doch etwas weit hergeholt. Dass sein Zellen-Nachbar in Guantanamo ausgerechnet sein Freund und der Erfinder des Computerspiels ist, dürfte eher der Romandramaturgie geschuldet als Realität sein.

Plausibel

Dass er seine Jahre in Haft erträgt, weil er an ein Mädchen denkt, in das er sich in seiner Heimat England verliebt hatte, wirkt jedoch plausibel. Dass er sich von seiner Haft ziemlich rasch erholt, ist wiederum fragwürdig.

Und so pendelt man hin und her zwischen Skepsis und Betroffenheit, sodass man (oder ich zumindest) dem Roman nicht glaubt (außer jene Fakten, die allgemein bekannt sind).

Ich denke, es wäre der Intention der Autorin förderlicher gewesen, entweder ein Sachbuch oder eine Reportage zu schreiben oder die Story nicht in Guantanamo spielen zu lassen.

Gute Absicht

So aber merkt man diesem Roman die gute Absicht an und es wird nicht klar: will Perera aufklären oder berühren? Außerdem hat die Hauptfigur zu wenig Persönlichkeit oder ein allzu beliebiges Profil, als dass man mit ihr leiden würde – man ist eher darüber entsetzt, dass das, was ihr widerfährt, überhaupt möglich ist.

Aber das war man vorher auch schon.

Von Werner Schuster
Infos:

Leseprobe [5]

Anna Perera wurde in London geboren als Tochter einer Irin und eines sri-lankischen Vaters. Sie arbeitete als Lehrerin und hat mehrere Kinderbücher veröffentlicht. Auf einer Wohltätigkeitsveranstaltung erfuhr sie, dass selbst Kinder und Jugendliche in Guantanamo Bay festgehalten werden und beschloss daraufhin, „Guantanamo Boy“ zu schreiben. Anna Perera lebt mit ihrer Familie in Hampshire, England.