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Forton, Jean: Isabelle

Kurzkritik [1]Was meinen Sie? [2]Ausführliche Besprechung [3]Infos [4]

Buchcover Forton Isabelle [5]


Inhalt:

Anders als Lolita ist das Mädchen Isabelle keine selbstbewusste Verführerin, sondern unschuldig und sehnt sich nach Zuwendung. Mit klarer, knapper Sprache zeigt Forton, wie Verführung zum Selbstzweck wird, zur Erhöhung des eigenen Ichs. (Pressetext)

Kurzkritik:

Als „trockenes, kaltes, distanziertes Porträt eines Dreckskerls“ beschriebt „Un livre un jour“ dieses Buch aus dem Jahr 1957 treffend. Und auch, wenn 16-Jährige heutzutage nicht mehr so naiv sind wie Isabelle, so ist ihre Verführung durch den 34-jährigen Ich-Erzähler doch unwiderstehlich widerlich.

Ein Monster in Gestalt eines Durchschnittsbürgers ist selten dermaßen eindringlich beschrieben worden wie von Jean Forton.

Besprechung:

Unwiderstehlich widerlich

Als „trockenes, kaltes, distanziertes Porträt eines Dreckskerls“ beschriebt „Un livre un jour“ dieses Buch aus dem Jahr 1957 treffend. Und auch, wenn 16-Jährige heutzutage nicht mehr so naiv sind wie Isabelle, so ist ihre Verführung durch den 34-jährigen Ich-Erzähler doch unwiderstehlich widerlich.

Der haust gewollt einsam in einer Pension in Bordeaux, verbringt seine Tage mit Müßiggang. Er ist Privatier, lebt vom Geld eines Familienbetriebs, in dem sein Bruder arbeitet. Und er hat kein Problem damit, ein Misanthrop zu sein. Er verachtet alle, nur sich selbst ein bisschen weniger, doch er versteht, dass man ihn nicht mag.

Streuner

Wir lesen sein Tagebuch. Er streunt durch die Gegend, reflektiert seine Beobachtungen und erinnert sich an seine sexuellen Abenteuer. Eines Tages begegnet er der Schülerin Isabelle aus einer wohlhabenden Familie, die ihr keine Geborgenheit gibt.

Behutsam nähert er sich ihr, freundet sich mit ihr an, um sie ins Bett zu bekommen. Eine Zeit lang bildet er sich ein, Isabelle zu lieben, doch sobald er sie verführt hat, wird er ihrer überdrüssig. Schließlich erwischt sie ihn mit der Frau seines Nachbarn, droht mit Selbstmord und läuft davon. – Sie bedeutet ihm nicht einmal so viel, dass er sich Sorgen macht.

Monster

Ein beklemmendes Buch, dem man sich nicht entziehen kann, auch wenn man Distanz zu gewinnen vermag, weil die Zeit, als Frauen und Kinder zu verprügeln noch eine Selbstverständlichkeit war, vergangen ist. Doch so ein Monster in Gestalt eines Durchschnittsbürgers ist selten dermaßen eindringlich beschrieben worden wie von Jean Forton.

Von Werner Schuster
Infos:

Das meinen andere [6] (Perlentaucher-Rezensionsnotizen).

Jean Forton (1930-1982) war Buchhändler, Autor von neun Romanen und Begründer der Zeitschrift La Boîte à clous für junge literarische Talente. Zum Höhepunkt und Ende seiner Karriere war er mit seinem Roman L’Épingle du jeu 1960 in der Endauswahl für den Prix Goncourt. Sein Gesamtwerk wird nun in Frankreich neu aufgelegt. Mit Isabelle wird er erstmals auf Deutsch vorgestellt.”