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El Hachmi, Najat: Der letzte Patriarch

Kurzkritik [1]Was meinen Sie? [2]Ausführliche Besprechung [3]Infos [4]

Buchcover El Hachmi Patriarch [5]


Inhalt:

Ein bitterböser Abgesang auf das Patriarchat – und ein fesselnder Familienroman über drei Generationen, zwischen gestern und heute, zwischen der arabischen und der westlichen Welt. Temporeich und unterhaltsam, und dennoch ein Buch, das niemanden gleichgültig lässt. (Pressetext)

Kurzkritik:

„Der letzte Patriarch“ ist ein erschreckendes Buch. Gerade weil El Hachmi es mit scheinbar leichter Hand und mit ironischer Distanz geschrieben hat, kann man sich davon schwer distanzieren und wird etliche Parallelen im eigenen und im Leben von FreundInnen und Bekannten entdecken.

Wenn ich zum Beispiel an jene Freundin denke, eine eigentlich selbstbewusste Frau, die sich von einem neurotisch eifersüchtigen Freund das Leben zur Hölle machen ließ, kann ich nicht glauben, dass Mimoun tatsächlich der letzte Patriach ist. Die leben immer noch in uns und um uns herum.

Besprechung:

Alle haben Angst vor ihm

Mimoun ist ein brutaler Dickkopf, und alle haben Angst vor ihm, besonders seine Frau und seine Tochter. Mimoun verdächtigt diese nämlich, dasselbe zu tun wie er: sexuell freizügig zu sein. Mimoun ist ein Despot: alle haben zu tun, was er anordnet, ansonsten setzt es Prügel.

Seine Tochter erzählt uns, wie Mimoun in Marokko aufwächst und schon als Kind herrisch ist. Wie er es schafft, frühzeitig ein ganz bestimmtes Mädchen heiraten zu können, obwohl er dabei versagt, als Bauarbeiter in Spanien Geld für die Hochzeit zu verdienen (er schläft mit der Frau seines dortigen Chefs, zündet dessen Haus an, weil ihn dieser entlässt, und wird des Landes verwiesen).

Christinnen vernaschen

Nach der Hochzeit geht er wieder nach Spanien arbeiten (und Christinnen vernaschen), verdient aber zu wenig, um seine Familie versorgen zu können. Erst als er diese nachholt, macht er genug Geld, gründet sogar eine Firma. Zwischendurch wohnt er schon einmal mit seiner Geliebten im selben Haus wie Frau und Kinder.

Die Tochter nutzt jedes Schlupfloch, um ein wenig so zu sein wie ihre Freundinnen (Kleidung, ausgehen, Jungen treffen), was jedoch mit der beständigen Angst einhergeht, von ihrem Vater eingesperrt, beschimpft und/oder verprügelt zu werden. Auch nach ihrer mittels eines Selbstmordversuches durchgesetzten Heirat kann sie sich dem destruktiven Einfluss ihres Vaters nicht entziehen.

Neurotisch eifersüchtig

„Der letzte Patriarch“ ist ein erschreckendes Buch. Gerade weil El Hachmi es mit scheinbar leichter Hand und mit ironischer Distanz geschrieben hat, kann man sich davon schwer distanzieren und wird etliche Parallelen im eigenen und im Leben von FreundInnen und Bekannten entdecken.

Wenn ich zum Beispiel an jene Freundin denke, eine eigentlich selbstbewusste Frau, die sich von einem neurotisch eifersüchtigen Freund das Leben zur Hölle machen ließ, kann ich nicht glauben, dass Mimoun tatsächlich der letzte Patriach ist. Die leben immer noch in uns und um uns herum.

Von Werner Schuster
Infos:

Das meinen andere [6] (Perlentaucher-Rezensionsnotizen)

Radio-Interview mit der Autorin [7] (ORF1)

Najat El Hachmi, 1979 in Marokko geboren und in Katalonien aufgewachsen, hat erstmals 2004 mit dem vieldiskutierten Essay „Jo també sóc catalana“ (Auch ich bin Katalanin) von sich reden gemacht. 2008 gewann sie mit „Der letzte Patriarch“ überraschend den Premi Ramon Llull, den wichtigsten und höchstdotierten katalanischen Literaturpreis. Der Roman wurde bereits in zahlreiche Sprachen übersetzt.