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Manotti, Dominique: Roter Glamour

Kurzkritik [1]Was meinen Sie? [2]Ausführliche Besprechung [3]Infos [4]

Buchcover Manotti Roter Glamour [5]


Inhalt:

Sie heißt Noria Ghozali und ist der Arsch der Truppe. Wenn Kinder auf Montmartre Hundehaufen mit Böllern zum Explodieren bringen, darf sie „ermitteln“. Und auf dem Revier ist die Jungpolizistin Zielscheibe rassistischer Mobbingattacken. Doch dann wird eine unbekannte Tote auf einem verlassenen Parkplatz zum Katalysator für ihre Karriere. Noria verbeißt sich sofort in ihren ersten echten Fall, und bald wird eine konkurrierende Polizeibehörde auf sie aufmerksam, der Zentrale Nachrichtendienst. Noria lässt sich anwerben für eine streng geheime Ermittlung, der die politische Elite zum Straucheln bringen könnte. (Pressetext)

Kurzinfo:

Dem deutschsprachigen Raum fehlt eine Dominique Manotti, was Krimis anbelangt. Ich lasse mich da gerne korrigieren, aber welche AutorInnen sind so nahe an der Realität, so nahe an den Machtstrukturen wie diese französische? Wo sind etwa die Romane über die Barschel- und die BUWOG-Affäre (D & Ö) oder den Fichsenskandal (CH)?

Hat Manotti in „Letzte Schicht“ einen mit Fiktion angereicherten Tatsachenroman geschrieben, so hatte sie in „Roter Glamour“ eine authentische Staatsaffäre als Hintergrund für ihren Roman verwendet. Der Mitterand-Sonderberater François Bornand arbeitet an der Befreiung französischer Geiseln im Libanon und initiiert ein geheimes Waffengeschäft mit dem Iran, bei dem er selbst gut verdienen sollte. Doch das mit Waffen beladene Flugzeug stürzt ab. Beinahe würde es dem Sonderberater mit einem ausschweifenden Lebensstil gelingen, die Affäre zu vertuschen, würde nicht die „kleine“ Polizistin Noria Ghozali ihren Job machen und die Morde aufklären, die Bornand in Auftrag gegeben hat.

Gut möglich, dass sich Politik tatsächlich so kriminell abspielt. Die Anzeichen sind da. Manotti denkt sie zu Ende und füllt sie mit Leben.

Besprechung:

Gut möglich

Dem deutschsprachigen Raum fehlt eine Dominique Manotti, was Krimis anbelangt. Ich lasse mich da gerne korrigieren, aber welche AutorInnen sind so nahe an der Realität, so nahe an den Machtstrukturen wie diese französische? Wo sind etwa die Romane über die Barschel- und die BUWOG-Affäre (D & Ö) oder den Fichsenskandal (CH)?

Hat Manotti in „Letzte Schicht“ (im Original 2006 veröffentlicht) einen mit Fiktion angereicherten Tatsachenroman geschrieben, so hatte sie in „Roter Glamour“ (aus dem Jahre 2001) eine authentische Staatsaffäre als Hintergrund für ihren Roman verwendet. Der Mitterand-Sonderberater François Bornand arbeitet an der Befreiung französischer Geiseln im Libanon und initiiert ein geheimes Waffengeschäft mit dem Iran, bei dem er selbst gut verdienen sollte. Doch das mit Waffen beladene Flugzeug stürzt ab. Beinahe würde es dem Sonderberater mit einem ausschweifenden Lebensstil gelingen, die Affäre zu vertuschen, würde nicht die „kleine“ Polizistin Noria Ghozali ihren Job machen und die Morde aufklären, die Bornand in Auftrag gegeben hat.

Blick hinter die Kulissen

Das klingt bestimmt nicht nach einem Pageturner und soll auch keiner sein. Wir haben es mit einem howcatchem-Krimi zu tun, der uns die alltägliche Polizeiarbeit genauso anschaulich beschreibt wie die geheimen Sphären der Politik. Mit ihrem prägnanten, teilweise stakkato-artigen Stil liefert Manotti einen Blick hinter die Kulissen und die „Masken“ der handelnden Personen.

Etwa: „Mit den Fingerspitzen streicht Noria zärtlich über den Polizeiausweis in ihrer Anoraktasche, als sei er ein Talismann, und beginnt ihre Runde in der Einkaufsgegend an der Rue de Meaux, zwischen den Metrostationen Jaurès und Laumière, von wo man über die Avenue Jean-Jaurès in null Komma nichts zur Porte de Pantin gelangt. Die Rue de Meaux ist eine schmale Straße, in der sich ein Geschäft ans andere drängt. Das schöne Wetter ist zurück und mit ihm ein Anflug trockener Kälte, das belebt. Die ganze Straße ist gut gelaunt.“

Steht in einer Ecke, reglos

Oder: „Ein Nobelsalon in Meergrün mit zwei großen Fenstern, die auf die Parkanlagen der Champs-Élysées hinausgehen, ein runder Tisch, für drei Personen gedeckt. Bornard, sehr elegant in seinem schmal geschnittenen hellgrauen Anzug auf gekämmter Wolle und der wollseidenen Krawatte in einem etwas kräftigeren Grau, geht mit undurchdringlicher Miene auf und ab, während er auf seinen Gast wartet. Fernandez steht in einer Ecke, reglos, auf der Hut, und tut so, als sei er nicht da.“

David gegen Goliath also, jedoch im Bereich des Möglichen. Gut möglich auch, dass sich Politik tatsächlich so abspielt. Die Anzeichen sind da. Manotti denkt sie zu Ende und füllt sie mit Leben.

Von Werner Schuster
Infos:

Dominique Manotti, 1942 geboren, kam erst mit fünfzig Jahren zum Schreiben und veröffentlichte seither sieben Romane. Ihre Bezugspunkte sind der amerikanische Schriftsteller James Ellroy, die neuzeitliche Wirtschaftsgeschichte und die 68er-Bewegung. Die Historikerin lehrte an verschiedenen Pariser Universitäten Wirtschaftsgeschichte der Neuzeit, war Gewerkschafterin in der CFDT aktiv und leitete als Generalsekretärin deren Pariser Sektion

Mehr über Dominique Manotti [6] bei Wikipedia, dort auch Infos zu Barschel-Affäre [7] // Fichsenskandal [8] // BUWOG-Affäre [9]