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Dumas, Alexandre: Der Graf von Monte Christo

Kurzkritik [1]Was meinen Sie? [2]Ausführliche Besprechung [3]Infos [4]

Buchcover Dumas Monte Christo [5]


Inhalt:

Bis heute hat die dramatische Geschichte des jungen Seemanns Edmond Dantès, der am Tag seiner Hochzeit aufgrund einer Intrige verhaftet wird, nichts von ihrer Faszination verloren. Die Flucht aus dem Gefängnis auf die Insel Monte Christo und der eiskalte Rachefeldzug gegen seine Verräter boten Stoff für zahlreiche Verfilmungen. (Pressetext)

Kurzkritik:

Von den knapp 1.500 Seiten sollte man sich nicht abschrecken lassen: „Der Graf von Monte Christo“ liest sich leicht und flüssig und bleibt durchgehend interessant und spannend, auch wenn man eine oder mehrere der über 80 Roman-Verfilmungen gesehen hat.

Besprechung:

Racheengel und Messias

Schon auf der ersten Seite wird klar, dass etwas nicht stimmt. Das Schiff „Pharaon“ läuft in Marseille ein und „es fuhr so langsam und mutete so traurig an, dass sich die Neugierigen mit jenem Instinkt, der ein Unglück ahnt, fragten, welcher Unfall wohl an Bord geschehen sein mochte“.

Nun, der Kapitän ist während der Geschäftsreise verstorben.

Der Erste Offizier Edmond Dantès hat das Kommando übernommen und Schiff und Ladung sicher in den Zielhafen gebracht. Der Reeder Morrel beabsichtigt, ihn zum Kapitän zu machen und lädt ihn zu sich nach Hause ein. Edmond, ein ebenso herzensguter wie naiver Mensch, lehnt dankend ab: zuerst muss er seinen verarmten Vater und dann seine Verlobte Mercedes besuchen.

Edmond bemerkt nicht, dass Danglars, Zahlmeister an Bord der „Pharao“, neidisch auf ihn ist.

Denunziert

Nun hat Edmont dem verstorbenen Kapitän versprochen, ein Pakt auf die Insel Elba zu bringen, wohin der als Kaiser abgedankte Napoleon ins Exil verbannt wurde. So ist es für Danglars ein Leichtes, Edmont am Vorabend seiner Hochzeit als bonapartistischen Agenten zu denunzieren.

Und würde Edmont nicht unfreiwillig aufdecken können, dass der Vater des stellvertretenden Staatsanwalts Villefort ein Anhänger Napoleons ist (während sein Sohn die Interessen des jetzt herrschenden Königshauses vertritt), so würde ihn Villefort nicht ohne Gerichtsverhandlung auf unbestimmte Zeit ins Gefängnis stecken.

Nicht abschrecken lassen

Wir sind ca. auf Seite 100, und von den restlichen etwa 1.370 Seiten sollte man sich nicht abschrecken lassen: „Der Graf von Monte Christo“ liest sich leicht und flüssig und bleibt durchgehend interessant und spannend, auch wenn man eine oder mehrere der über 80 Roman-Verfilmungen gesehen hat.

Vor allem kennt man die Geschichte deswegen noch lange nicht, oder bloß in ihren Grundzügen. Hat man zum Beispiel gewusst, dass es darin außer um Napoleon um die Wiederherstellung der Bourbonenmonarchie in Frankreich und ihren endgültigen Sturz geht (und dass dies zur Zeit der Entstehung des Romans unmittelbare Vergangenheit gewesen ist)?

Über 1.000 Seiten Rache

Weiß man (noch), dass der aus seiner 14-jährigen (!) Haft geflüchtete und durch Zufall sehr reich gewordene Edmont als „Graf von Monte Christo“ zuerst seine Wohltäter belohnt, bevor er den – auf über 1.000 Seiten ausgebreiteten – Rachefeldzug gegen seine Widersachern beginnt und uns zuerst nach Rom und schließlich nach Paris führt?

Weiß man, dass „Der Graf von Monte Christo“ zwischen 1844 und 1846 als Fortsetzungsroman in einer Zeitschrift erschienen ist? Wie haben es die LeserInnen damals nur ausgehalten, auf den Weitergang der Geschichte immer wieder warten zu müssen?

Zeitlos

Heute hat man es besser. Man wird die knapp 1.500 Seiten wohl nicht in einer Nacht „bewältigen“ – und man wird auch keine davon überfliegen oder überblättern. Für wen dies ein Argument ist: „Der Graf von Monte Christo“ wird nicht zur Hochliteratur gezählt, aber doch zur gehobenen Unterhaltungsliteratur. Auf jeden Fall wird während der Lektüre eine vergangene Zeit in vielen Facetten lebendig, eine zeitlose Geschichte über Verrat und Rache und eine Titelfigur, die „zwischen Racheengel und Messias, zwischen Faust und Mephisto, Menschenretter und Lebensverderber, Philosoph und Naturwissenschaftler, Asket und Haschischgenießer, Liebender und Zyniker, Landei und Weltbürger“ changiert.

Das Zitat ist aus dem ausführlichen Nachwort mit umfassenden Hintergrundinformationen von Thomas Zirnbauer, der die kürzlich bei dtv erschienene Ausgabe (erstmals vollständig und in einem Band) revidiert und ergänzt hat.

Von Werner Schuster
Infos:

Alexandre Dumas, eigentlich Alexandre Davy de la Pailleterie, wurde 1802 in Villars-Cotterêts bei Soissons geboren und starb 1870 in Puys. Mit den Romanen „Der Graf von Monte Christo“ und „Die drei Musketiere“ zählt er zu den erfolgreichsten Schriftstellern der Weltliteratur.

Mehr über Alexandre Dumas [6] bei Wikipedia.