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Anderson, Geraint: Cityboy

Kurzkritik [1]Was meinen Sie? [2]Ausführliche Besprechung [3]Infos [4]

Buchcover


Inhalt:

Mit seiner tabulosen Schilderung des Lebens im Londoner Finanzdistrikt bricht Geraint Anderson das Schweigegelübde der Square Mile. Als Staranalyst einer großen Investmentbank kennt der „Cityboy“ die schmutzigen Einzelheiten: die sechsstelligen Boni, die Monster-Egos, den dekadenten Wahnsinn zwischen Milliarden, Sex und Drogen in der Finanzmetropole Europas. Dieses Buch ist schonungslos und brutal – wie der kaputte Alltag der Banker. (Pressetext)

Kurzkritik:

In „Cityboy“ bleibt stets unklar, was nun wahr und was erfunden ist, sodass man nach der Lektüre erst recht nicht weiß, wie es in der Investmentbanker-„City“ tatsächlich zugeht.

Besprechung:

Zweifelhaft

Dieses Buch ist vom Thema her ja ziemlich heiß: Ein Ex-Banker gibt Einblick in die Welt der Investmentbanken. Leider hat Geraint Anderson keinen Bericht, sondern einen Roman draus gemacht:

Zugegeben, dieses Buch ist wahr in dem Sinne, dass es eine präzise Beschreibung eines bestimmten Karrieretyps in der Londoner City darstellt. … Jeder der Charaktere in diesem Buch (ist) frei erfunden – es sind keine Individuen, sondern klassische City-Typen. … Obwohl in diesem Buch immer wieder auf tatsächlich existierende Menschen und Orte Bezug genommen wird, mischen sie sich mit fiktiven Menschen und Ereignissen, die ich um der Story willen erfunden habe.

Allein: warum? – Selbstverständlich konnte und durfte Anderson keine Firmeninterna preisgeben, aber warum hat er einen Roman vorgelegt, anstatt uns einfach die – anonymisierten – Fakten zu präsentieren? Welchen Grund er dafür auch immer hatte: in „Cityboy“ bleibt stets unklar, was nun wahr und was erfunden ist, sodass man nach der Lektüre erst recht nicht weiß, wie es in der „City“ tatsächlich zugeht.

Geld, Sex und Drogen!

Und eigentlich hat das ganze Buch auf mich gewirkt, als hätte es gar kein Insider geschrieben. Denn was uns Anderson erzählt, unterscheidet sich überhaupt nicht davon, wie man sich als Laie die ominöse „City“ vorstellt: jede Menge unlautere Tricks. Bei Anderson kommen noch „Geld, Sex und Drogen“ (so auch der Untertitel des Buches) dazu.

Dabei wäre Anderson wahrscheinlich wirklich ein Experte. Nach zwölf Jahren City kündigte er und schrieb eine wöchentliche anonyme Beichtkolumne in „thelondonpaper“. Vielleicht hätte man die veröffentlichen sollen.

Um der Story willen erfunden

Vielleicht auch nicht. Denn in diversen Foren (zum Beispiel hier [5]) wird die Beschreibung von Investmentbankern in Andersons Kolumne als zweifelhaft wenn nicht als falsch kritisiert. Das tut Andersons Erfolg allerdings keinen Abbruch. Nach der Fortsetzung von „Cityboy“ („50 Ways to Survive the Crunch“) schreibt er gerade an seinem dritten Buch.

Das handelt von einem anonymen Kolumnisten, der den Computer seines Chefs hackt und dort auf ein gröberes Verbrechen stößt. Geht man fehl in der Annahme, dass sich auch darin fiktiven Menschen und Ereignisse mischen, die Anderson um der Story willen erfunden hat?

Von Werner Schuster
Infos:

Geraint Anderson, geboren 1972, ist ein ehemals hochrangiger Investmentbanker, Kolumnist und Sohn des britischen Labour-Abgeordneten Donald Anderson, Baron Anderson of Swansea. Er wurde bekannt für seine Kolumne in der Zeitung thelondonpaper, die er unter dem Pseudonym City Boy veröffentlichte. In dieser legte er die moralisch fragwürdigen Vorgänge und Einstellungen unter den Londoner Investmentbankern, den sogenannten city boys, offen.

Mehr über Geraint Anderson [6] bei Wikipedia.