- Literaturmagazin Eselsohren –  - http://www.eselsohren.at -

Kerouac, Jack: On the Road

Kurzkritik [1]Was meinen Sie? [2]Ausführliche Besprechung [3]Infos [4]

Buchcover


Inhalt:

Die Urfassung des legendären Beat-Romans, der junge Leute weltweit elektrisierte und zum Nachleben animierte – hier zum ersten Mal auf Deutsch. (Pressetext)

Kurzkritik:

Manche Bücher, denke ich, schenken sich VerlegerInnen selbst, und die Urfassung von Kerouacs „On the Road“ ist so ein Geschenk. Wenn man so etwas publizieren kann, fragt man sich wohl nicht wirklich, ob das Riesenumsätze einbringen wird.

Anders gesagt: Wir haben jahrzehntelang das falsche „Unterwegs“ gelesen! Und das werden wir wohl auch weiterhin tun.

Besprechung:

Manche Bücher, denke ich, schenken sich VerlegerInnen selbst, und die Urfassung von Kerouacs „On the Road“ ist so ein Geschenk. Wenn man so etwas publizieren kann, fragt man sich wohl nicht wirklich, ob das Riesenumsätze einbringen wird.

Seit über 50 Jahren wird „On the Road“ nicht nur viel gelesen, es ist, wie Penny Vlagopoulos in einem der Nachwörter (!) schreibt, neben der Bibel jenes Buch, das in amerikanischen Buchhandlungen hinter der Kasse steht – weil es so oft geklaut wird.

Ich bin mir ziemlich sicher, dass man „Unterwegs“, unter welchem Titel es im deutschsprachigen Raum erhältlich ist, nicht mehr vorzustellen braucht. (Falls doch: bei Wikipedia [5] gibt es darüber einen eigenen Artikel.)

Länger, roher, expliziert, echter

Und ich kann nicht sagen, wer sich die Urfassung kaufen oder ob sich diese durchsetzen wird. Diese ist jedenfalls „noch autobiografischer“ als jene, die so viele kennen. Sie ist ein bisschen länger, die Sprache ist roher, der Sex expliziter und die Figuren tragen ihre echten Namen.

Ich habe bald aufgegeben, die Fassungen zu vergleichen. Dazu zieht einen das Buch zu sehr in seinen Bann.

Und ich habe mit großem, wenn auch teilweise widerwilligem Interesse besagte Nachwörter gelesen, die 140 Seiten füllen und in eine etwaige Taschenbuchausgabe wohl nicht übernommen würden. Widerwillig deshalb, weil man sich doch seine Mythen nicht zerstören lassen mag.

Die Mythen, Teil 1

Eine dieser Mythen ist, dass Kerouac „On the Road“ in nur drei Wochen und unter dem Einfluss von Drogen auf eine vierzig Meter lange Papierrolle getippt hat. Daran stimmt fast nichts: Die Droge war schlicht und ergreifend Kaffee, unter der Papierrolle hat man sich keine Fax-Papierrolle vorzustellen, sondern so etwas wie aneinander geklebte Zeichenblätter, – und um „On the Road“ in drei Wochen schreiben zu können, hat Kerouac mindestens drei Jahre Vorbereitung gebraucht, in denen er mehrere Urfassungen der Urfassung produzierte.

Die Mythen, Teil 2

Diese Urfassung hat er in mehreren Anläufen weiter bearbeitet, sodass man nicht wirklich sagen kann, welche denn nun tatsächlich die autorisierte Fassung wäre. Und damit nicht genug: Das, was wir als rauschhaftes Dokument der Beat-Generation ansehen, unser „Unterwegs” also, wurde vom Verlag nur zögerlich herausgebracht (nämlich sechs Jahre nach der Niederschrift der Urfassung) und dann bearbeitet, gekürzt und anonymisiert.

Der „King of the Beats“

Und außerdem hat sich Kerouac, wenn überhaupt, dann nicht lange als Beatnik gesehen (sondern als „ernsthaften“ Schriftsteller) und hat bald bedauert, dass „Unterwegs“ so ein großer Erfolg geworden war: niemand interessierte sich wirklich für seine 20 anderen Romane sowie für seine Gedichte. Und wie es nicht nur bei Wikipedia zu lesen ist: „Die Rolle als ,King of the Beats‘, die ihm aufgedrängt wurde, stieß ihn immer mehr ab, weil seine Vorstellungen von Literatur und einer unverfälschten, spontanen Schreibweise nicht verstanden wurden.“

Unser „Unterwegs“

Wollen wir das wirklich wissen? Wollen wir uns unseren „King of the Beats“ wirklich nehmen lassen und unser „Unterwegs“? Ich bezweifle das.

Doch was auch immer mit der Urfassung von „On the Road“ geschehen mag, es ist eine großartige Sache, dass sich Menschen die Mühe gemacht haben, sie zu publizieren, zu übersetzen und das Wirrwarr aus verschiedenen Fassungen zu ordnen. Das gibt es jetzt, greifbar, öffentlich, es ist vorhanden. Danke.

Von Werner Schuster
Infos:

Zur Leseprobe bei Rowohlt [6] (PDF).

Jack Kerouac wurde am 12. März 1922 in Lowell/Massachusetts geboren und besuchte die Columbia University. Während des Zweiten Weltkriegs diente er in der Handelsmarine, trampte später jahrelang als Gelegenheitsarbeiter kreuz und quer durch die USA und Mexiko und wurde neben William S. Burroughs und Allen Ginsberg der führende Autor der Beat Generation. Er starb am 21. Oktober 1969 in St. Petersburg/Florida.

Mehr über Jack Kerouac [7] und „Unterwegs“ [5] bei Wikipedia.

„Unterwegs“ wird seit August 2010 verfilmt. Regie führt Walter Salles, das Drehbuch schreibt José Rivera. Die Hauptrolle des Dean Moriarty wird von Garrett Hedlund gespielt, Kristen Stewart spielt seine Ehefrau Marylou und Sam Riley ist Sal Paradise.