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Reitzer, Angelika: unter uns

Kurzkritik [1]Was meinen Sie? [2]Ausführliche Besprechung [3]Infos [4]

Buchcover


Inhalt:

Am Beginn steht ein Familienfest, das ein Abschiedsfest ist: Clarissas Eltern steigen aus, auch aus dem Leben der Kinder. Clarissa und all die anderen stehen in der Mitte des Lebens, aber doch nur irgendwie, ungefähr. Sie suchen ihren Platz in wechselnden Verhältnissen, zwischen einem Projekt und dem nächsten, ohne dass davon mehr bleibt als ein unsicheres Netzwerk von Kontakten und losen Beziehungen. (Pressetext)

Kurzkritik:

„Ein Familienroman ohne Familie“, steht auf dem Buchrücken. Im Roman dann ein loses Geflecht aus nicht mehr ganz so jungen Großstädtern, im Zentrum die Protagonistin Clarissa, sodass man sich fragt, warum „Familienroman“? Außerdem ein Roman ohne wirklichen Anfang, ohne richtiges Ende, in dem man als LeserIn schnell den Überblick verliert.

Besprechung:

Ein Scheitern, quasi zwischen zwei Terminen eingeschoben

„Ein Familienroman ohne Familie“, steht auf dem Buchrücken. Im Roman dann ein loses Geflecht aus nicht mehr ganz so jungen Großstädtern, im Zentrum die Protagonistin Clarissa, sodass man sich fragt, warum „Familienroman“?

Kind und Karriere

Am Beginn des Romans ziehen sich Clarissas Eltern aus ihrem Erwerbsleben zurück, feiern den Abschied von „ihrem“ Gasthaus, und einige der Figuren haben Kinder, eigene oder Stiefkinder in Patchwork-Konstruktionen. Insofern geht es schon um Familien, doch viel mehr noch geht es um Karrieren, um Freiberufler, die Filme produzieren, Kalender machen, in der Buchbranche arbeiten.

Ameisen und Super 8-Filme

Doch während die anderen Meetings haben, in verschiedenen Sprachen Projektpartnern hinterher telefonieren, ist Clarissa bei Freunden in einen Kellerraum gezogen, kämpft gegen Ameisen und sieht sich alte Familienaufnahmen an. Ein Zwischentief, sagt sie sich und den anderen – und schaltet ihr Handy aus.

Figuren und Perspektiven

Im Haus über Clarissa hat Klara manchmal Schuldgefühle, weil sie bei ihren beiden Töchtern zu Hause bleibt, im Wechsel der kurzen Kapitel wird immer wieder auf andere Figuren fokussiert, auch die Perspektive wechselt vom Ich ins Er in ein Du, von der Realität in surreale Albträume. Zwischen Vera, Kevin, Jörg, Marie,– verliert man als LeserIn schnell den Überblick, weil ihre Namen nicht immer genannt werden, weil sich ihre Sorgen und ihre Orientierung an Projekten und Kontakten ähneln. Nur Clarissa ist eindeutig als Zentrum auszumachen, um ihre Entwicklung oder Nichtentwicklung sind die anderen Figuren gruppiert, die einander alle irgendwie kennen.

Anfang und Ende

Ein Roman scheinbar ohne wirklichen Anfang, ohne richtiges Ende. Am Anfang jedoch steht der Abschied der Eltern, das Abtreten der vorigen Generation. Und am Ende steht ein Scheitern der nächsten Generation, die den Platz der Eltern nicht einnehmen kann. Kein lautes, dramatisches Scheitern – sondern eines, das zu dieser Generation passt, mit dem Gefühl verbunden, dass es alles schon einmal gab, ein Scheitern, quasi zwischen zwei Terminen eingeschoben.

Von Sabine Schönfellner
Infos:

Angelika Reitzer, geboren 1971 in Graz, lebt in Wien. Sie schreibt Prosa, Lyrik und dramatische Texte, fürdie sie mehrfach ausgezeichnet wurde, u.a. mit dem Manuskripte-Literaturförderungspreis, Hermann-Lenz-Stipendium 2007 sowie einer Nominierung zum aspekte-Literaturpreis 2007.

Mehr über Angelika Reitzer [5] bei Wikipedia.