- Literaturmagazin Eselsohren –  - http://www.eselsohren.at -

Mayer, Doris: 365

Kurzkritik [1]Was meinen Sie? [2]Ausführliche Besprechung [3]Infos [4]

Buchcover
Roman
Erschienen 2010 bei Picus (Hardcover)
Inhalt:

Ein junger Mann hat überlebt. Die große Klimakatastrophe? Die Apokalypse? Einen Atomkrieg? Er weiß es selbst nicht so genau. Eines Tages erwacht er jedenfalls, und alle Menschen um ihn herum sind starr und still wie Puppen. Der Strom funktioniert nicht, die Telefonleitungen sind tot. Er beginnt, sich in der erstarrten Welt zurechtzufinden, und entdeckt nach und nach Anzeichen dafür, dass er nicht der einzige Überlebende ist. (Pressetext)

Kurzkritik:

„365“ ist ein fesselndes, beunruhigendes Buch, das nachdenklich macht: Ist es mit dem Eigennutz schon so weit gekommen, dass wir überlebensunfähig geworden sind? Und: Was würden wir bereuen, nicht getan zu haben, wenn Geld bedeutungslos geworden ist?

Besprechung:

Deine Frau ist eine leblose Puppe

Was ist nur geschehen? Ein junger Mann findet sich mit einem Mal in einer Welt wieder, in der sich alle anderen Menschen in leblose Puppen verwandelt haben. Auch die Tiere. Nur der Nachbarshund nicht, den er zuvor nicht mochte und mit dem er sich jetzt jedoch anfreundet.

Weiters gibt es keinen Strom mehr, also funktionieren Eiskästen und Heizungen und Computer nicht. Doch es gibt genug Geschäfte zum Plündern. Vor dem Einkaufszentrum, in dem der junge Mann gearbeitet hat, findet er das rothaarige Mädchen, das er heimlich bewundert hat, ebenfalls zur Puppe erstarrt. Er nimmt es mit.

Doch dann taucht ein weiterer Überlebender auf, und anstatt sich zusammenzutun, bekriegen sie sich. Schließlich nimmt ihm der zweite Mann seine leblose Freundin weg.

Fünf weitere Überlebende

Von noch fünf anderen Überlebenden erzählt Doris Mayer in ihrem Roman: Ein dritter Mann wird aus seiner einträglichen Arbeit gerissen und vermisst dann seine Frau und seine Töchter. Eine Frau findet ein Baby, eine andere einen kranken Buben.

Einzig die Frauen wollen ihr Los gemeinsam tragen, die Männer bleiben für sich oder kämpfen.

In einer knappen, präzisen Sprache beschreibt Mayer Männer, die ihren Schockzustand nicht überwinden und sich an ihre Übergangslage gewöhnen. Ohne Perspektive machen sie das kümmerliche Beste aus ihrer Situation, während die zwei Frauen, auch in der Sorge um die gefundenen Kinder, an die Zukunft denken. Wir erfahren nicht, was zur Katastrophe geführt hat.

Was würde man selbst tun?

Was würde man selbst in so einer Situation tun? Über die Verluste verzweifelt sein, ja, aber sonst? Sich bloß von den noch nicht verdorbenen Nahrungsmitteln ernähren und sich am Überangebot an Kleidung und Gebrauchsgegenständen gütlich tun? Würde man nicht versuchen, Getreide, Gemüse und Obst anzubauen? Würde man sich nicht freuen, wenn man nicht der/die Einzige wäre?

„365“ ist ein fesselndes, beunruhigendes Buch, das nachdenklich macht: Ist es mit dem Eigennutz schon so weit gekommen, dass wir überlebensunfähig geworden sind? Und: Was würden wir bereuen, nicht getan zu haben, wenn Geld bedeutungslos geworden ist?

Von Werner Schuster
Infos:

Über Doris Mayer [5] bei Wikipedia.