- Literaturmagazin Eselsohren –  - http://www.eselsohren.at -

McNay, Mark: Under Control

Kurzkritik [1]Was meinen Sie? [2]Ausführliche Besprechung [3]Infos [4]

Buchcover
Roman
Erschienen 2010 bei dtv
Aus dem Englischen von Eike Schönfeld
Originalausgabe: „Under Control“, 2008
Inhalt:

Während Sozialtherapeut Nigel Ehefrau Sarah beim romantischen Spaziergang am Strand seine innige Liebe gesteht, organisiert er per SMS das nächste Date mit der Junkieprostituierten Charlie, einer Patientin, die er auf den richtigen Weg bringen will – jedoch nicht ohne vorher mit ihr geschlafen zu haben. Charlie lässt sich das gefallen – wie sollte die Verzweifelte auch gegen eine Welt von Männern antreten, die sie allesamt als Schweinehunde kennengelernt hat? Wäre sie nur nicht in den schizophrenen Gary verliebt, ebenfalls einer von Nigels Schützlingen … (Pressetext)

Kurzkritik:

Ein authentisch wirkender Roman über sich prostituierende Heroin-Abhängige, gespaltene Persönlichkeiten und Vertrauensverhältnisse ausnutzende Sozialarbeiter.

Besprechung:

Sex and Drugs and Therapists

Von „Under Control“ war ich ein wenig enttäuscht, aber nicht wegen des Buches, sondern weil es den Ankündigungen nicht entspricht: Scheint McNay entschlossen, „mit jedem Roman tiefer in den Abgrund unserer kaputten Gesellschaft zu graben“, wie es „The Herald“ attestiert?

Nun, „Under Control“ ist gewiss kein Heile-Welt-Roman, aber wir alle wissen doch zumindest theoretisch, dass es sich prostituierende Heroin-Abhängige, gespaltene Persönlichkeiten und Vertrauensverhältnisse ausnutzende Sozialarbeiter gibt.

Welt hinter Glas

Und ich weiß ja nicht, wo und wie die erschütterten KollegInnen leben, ob sie also die Welt da draußen nur durch ihre Autofenster und im TV sehen. Aber wenn man etwa in Wien schon einmal durch die Fußgänger-Unterführung Karlsplatz gegangen ist, ist man an Menschen, die für Drogen sehr viel tun würden, zumindest vorbeigegangen. (Und es gibt tatsächlich etliche Bürgerliche, die sich dort billigen Sex kaufen.)

Es bräuchte also nur ein wenig Phantasie, um diesen Süchtigen eine Geschichte anzudichten.

Nun kennt McNay psychiatrische Patienten, weil er mit ihnen arbeitet, und weiß also auch um die therapeutische Seite Bescheid. Und für „Under Control“ hat er aus alldem eine Dreiecksgeschichte gesponnen: „Während der Sozialtherapeut Nigel seiner Ehefrau beim romantischen Spaziergang am Strand innige Liebe schwört, organisiert er per SMS das nächste Date mit der Junkieprostituierten Charlie.“

Die liebt den gewaltbereiten Gary, der – außer Drogen zu nehmen – in einer Fantasiewelt mit einem fiktiven Fremdenlegionär lebt (Gary war selbst einer) und in seiner Wohnung eine skurrile (Selbst-)Mord-Apparatur zusammenbaut.

Kein Sozialporno

Wir haben es also mit einer dramatischen Story zu tun, die nicht bei den Reichen & Schönen, die nur zu einem Drittel bei Bürgerlichen und sonst bei den Außenseitern und Ausgestoßenen spielt. McNay hat daraus keinen Sozialporno gemacht, sondern einen spannenden Roman mit ambivalenten Charakteren, die alle bloß auf ihre Art und Weise un-/glücklich sein wollen oder sind.

Geschrieben ist das in einer harten Sprache mit vielen knappen Dialogen (und ich muss die Übersetzerin Eike Schönfeld dafür loben, dass sie den Slang n i c h t in diese typische schnoddrige Möchtegern-Kriminellen-Sprache übertragen hat, sondern eher die Spracharmut der Protagonisten vermittelt).

Und so ist „Under Control“ für mich – bis auf den etwas konstruiert wirkenden Schluss – ein überzeugender Roman mit authentisch wirkenden Charakteren. Ich würde ihn gerne noch einmal zum ersten Mal und unvoreingenommen lesen können.

Von Werner Schuster
Infos:

Über Mark McNay [5] bei dtv.