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Bayer, Xaver: Die durchsichtigen Hände

Kurzkritik [1]Was meinen Sie? [2]Ausführliche Besprechung [3]Infos [4]

Buchcover
Erzählungen
Hardcover: Jung & Jung, 2008
Inhalt:

Warum tut Ulrike M. so, als sei sie bewusstlos? Warum fährt Henry Kissinger Taxi statt seinen Dienstwagen zu verwenden? Und warum stirbt die Hoffnung auf eine gute Seele nie? Fragen über Fragen.Das Leben kann einem eine Menge Rätsel aufgeben, vorausgesetzt, man schaut mit wachen Augen in die Welt. Die Luftmatratze, die hinausgeschoben wird aufs offene Meer – welche Geschichte endet oder beginnt da? Die hermetisch verschlossene Box – entwickelt sie sich, einmal im Zimmer abgestellt, nicht ganz schnell zum magischen Zentrum des Denkens und Handelns? (Pressetext)

Kurzkritik:

In einer ruhigen, eher journalistisch-berichtenden Sprache beschreibt Bayer Momentaufnahmen von meist ungewöhnlichen Situationen, welche auch ohne überraschende Enden oder Wendungen spannend sind. Wer verabschiedet sich zum Beispiel in “Carmine ruft nach ihrer Katze” von der Frau und in welchem Verhältnis stehen die beiden zueinander? Das will man doch wissen – und wenn man es sich selbst ausdenken muss. Bayer zwingt die LeserInnen gewissermaßen, die Stories auszuschmücken, weiterzuspinnen, sie sich also anzueignen.

Besprechung:

Wahrheiten

Mit diesem Buch hat Xaver Bayer eine beeindruckende Sammlung von Erzählungen vorgelegt. In einer ruhigen, eher journalistisch-berichtenden Sprache beschreibt Bayer Momentaufnahmen von meist ungewöhnlichen Situationen, welche auch ohne überraschende Enden oder Wendungen spannend sind.

Wer verabschiedet sich zum Beispiel in “Carmine ruft nach ihrer Katze” von der Frau und in welchem Verhältnis stehen die beiden zueinander? Das will man doch wissen – und wenn man es sich selbst ausdenken muss. Bayer zwingt die LeserInnen gewissermaßen, die Stories auszuschmücken, weiterzuspinnen, sie sich also anzueignen. “Die durchsichtigen Hände” ist kein Buch, das man in einem durchliest, die Erzählungen eignen sich allerdings zum Beispiel hervorragend für kurze (U-)Bahn- oder Busfahrten, an deren Ziel man nachdenklich und – je nachdem – geistig an- oder abwesend ankommt.

Eine Box, die sich nicht öffnen lässt

Manche Erzählungen sollte man allerdings eher daheim oder im Kaffeehaus (oder im Urlaub) lesen. In “Wie man seine Box zum Verschwinden bringt” etwa schafft der Autor eine Metapher nicht “nur” für Schicksale, sondern für Seinszustände: Was tun mit einer Box, die sich nicht öffnen lässt? Sogar, wenn man sie wegwirft, wird sie – und damit die Frage nach ihrem Inhalt – ihren Einfluss ausüben.

Zum Auflockern gibt es Humoresken wie “Künstlerische Freiheit”, in der uns Bayer jenen Autor näherbringt, der vergeblich mit der Muse Thalia zu telefonieren versucht. Humorvoll sind viele der Erzählungen, doch Vorsicht: Lachende Menschen sind für Wahrheiten empfänglicher. Auch für die eigenen.

Von Werner Schuster
Infos:

Über Xaver Bayer [5] bei Wikipedia.