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Fossum, Karin: Wer anders liebt

Kurzkritik [1]Was meinen Sie? [2]Ausführliche Besprechung [3]Infos [4]

Buchcover
Thriller
Aus dem Norwegischen von Gabriele Haefs
Hardcover: Piper Nordiska, 2008
Taschenbuch: Piper, 2009
(“Den som elsker noe annet”, 2007)
Inhalt:

Ein Kind liegt tot im Wald, ein anderes ist spurlos verschwunden – zwei Opfer, eine Leiche und verwirrende Spuren: Mit dem grausigen Fund, den das Ehepaar Ris in einem Waldstück macht, beginnt für Kommissar Konrad Sejer die fieberhafte Suche nach einer Lösung, denn möglicherweise ist ein Serienmörder am Werk … Karin Fossums neuer Kriminalroman lotet unnachsichtig und mit psychologischer Raffinesse einen Fall aus, bei dem ein Täter auf dem beängstigend schmalen Grat zwischen Gut und Böse wandelt. (Pressetext)

Kurzkritik:

Karin Fossums Roman ist durchaus intelligent aufgebaut. Die Autorin wirft spannende Fragestellungen auf, die einer simplifizierenden Gut–Böse-Konstruktion die Basis entziehen. Dennoch wirken die psychologischen Analysen, die sich größtenteils in Form von Dialogen durch den Roman ziehen, etwas lehrbuchartig.

Besprechung:

Die Psychologie pädophiler Täter

Ein sexuell missbrauchter achtjähriger Junge wird tot im Wald gefunden. Das Bild wird von der Autorin von mehreren Seiten aufgebaut: Wir begleiten den potentiellen Täter durch den Wald, um eine letzte Ruhestätte für den Kleinen zu finden, wir sind dabei, als ein spazierendes Paar die Leiche findet, wir erleben die Ermittlungen von Hauptkommissar Sejer und seinen Mitarbeitern unmittelbar mit, auch sind wir direkte ZeugInnen des Schreckens und Leids der Mutter des Opfers.

Diese Struktur zieht sich durch den ganzen Roman, so ermöglicht uns Karin Fossum Einblick aus mehreren Perspektiven. Es soll uns nachvollziehbar werden, welche inneren Dialoge ein Pädophiler führt, welche Rechtfertigungsstrategien er anwendet, wie er sich selbst schützt. Die Mutter bekommt Raum, um sich Selbstvorwürfe und Schuldgefühle von der Seele reden zu können, und ein Voyeur wird in seiner Motivation durchleuchtet.

Verblüffend gute Selbstanalysen

Karin Fossums Roman ist durchaus intelligent aufgebaut. Die Autorin wirft spannende Fragestellungen auf, die einer simplifizierenden Gut–Böse-Konstruktion die Basis entziehen. Dennoch wirken die psychologischen Analysen, die sich größtenteils in Form von Dialogen durch den Roman ziehen, etwas lehrbuchartig. Die Figuren können ihren Leidensdruck verblüffend gut analysieren und sauber nachvollziehbar skizzieren, fast so, als hätten sie bereits eine jahrelange Psychotherapie hinter sich. Durch diese Konstruiertheit verliert der Roman an Fluss.

Problematisch ist auch die Wahl des Täters – auch die Ermittler machen durch ihr Profiling klar, welche Personengruppe für sie als Täter in Frage kommt: sozial verwahrloste, aller Wahrscheinlichkeit nach arbeitslose allein stehende Männer … Hier bedient sich Fossum mächtiger Klischees (die Leiche des Kindes auch noch im Wald gefunden!), ohne auf Realitäten Bezug zu nehmen. Denn die allermeisten Opfer sexueller Übergriffe stehen mit dem Täter in einem Vertrauensverhältnis und sind nicht am Straßenrand aufgelesene Kinder.

Von Karo Rumpfhuber
Infos:

Karin Fossum, geboren 1954 in Sandefjord/Norwegen, lebt in Sylling bei Oslo. Ihre international erfolgreichen Romane um Kommissar Konrad Sejer sind vielfach preisgekrönt und wurden fürs Kino und Fernsehen verfilmt. In Deutschland erschienen von ihr unter anderem »Stumme Schreie«, ausgezeichnet mit dem Los Angeles Times Book Award 2008, »Dunkler Schlaf«, »Schwarze Sekunden«, von der Schwedischen Akademie mit dem Preis des besten ausländischen Kriminalromans ausgezeichnet, und zuletzt »Der Mord an Harriet Krohn« sowie »Wer anders liebt«.

Über Karin Fossum [5] bei Wikipedia.