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Zeit für ein Gedicht #6

Am 8. Juni ist der große Lyriker Peter Rühmkorf [1] gestorben. Nachlässe gibt es zur Zeit allerorts zu lesen (etwa in der FAZ [2], in der taz [3] und in der Süddeutschen [4]). Ich möchte an ihn mit einem seiner Gedichte erinnren:

Elegie

Gruß aus Köln – die bleiche Trauerkarte,
die am Rand noch grad die Fassung wahrt,
würde- und bedeutungsvoll:
ah-was-soll
all das dämliche Getanke und Gestarte
für das bißchen Fahrt?

Staub zu Staub und Schaum zu Schaum:
Diese Knöchel oft umschlossen,
dieser Hintern tief geliebt,
haltlos durch ein Totenhemd gesiebt,
ausgeflossen
in den sterneleeren Kofferraum.

Efeu schleppt sich lautlos durch die Jahre;
immergrün und unbegrenzt
deckt er diesen früh entschlafnen Schoß;
knochenlos
trete ich vor deine Abendbahre,
zart wie ein Gespenst.

Hark ich dir die Erde vom Gesicht,
laß die Blumen von den Ketten
– himmelstrebend, hochgehanft –
Dich in mein entfliehendes Gedicht
u m z u b e t t e n
(Ruhe sanft!)
Da ist Silber – da ist Gold – ist Licht.

Aus “Walther von der Vogelweide, Klopstock und ich” , Rowohlt, 1975
Erhältlich bei Amazon [5]

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