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Molnár, Ákos: Zwölf Schritte

Kurzkritik [1]Was meinen Sie? [2]Ausführliche Besprechung [3]Infos [4]

Buchcover
Roman
Aus dem Ungarischen von Christina Kunze
Piper, 2007
(1933)
Inhalt:

Er nannte sie für sich nur »das erdbeerduftende Mädchen«. Sie war die Schwester seines Schülers Egon, und sie besaß die Gepflegtheit einer englischen Herzogin. Es war unausweichlich, dass Tittelbach, der von einem leichten Abenteuer ins nächste stürzte, Helga irgendwann küssen würde. Doch mit ihr war es anders als mit den anderen, tiefer, harmonischer. Dass Tittelbach sich als Feind der Ehe zeigte, störte Helga nicht, sie war glücklich, zumal Grete, das neue Dienstmädchen, ihr nun endlich alle Lasten abnahm. Grete aber, mit ihrer groben blauen Bluse und dem heiteren Lächeln, faszinierte bald Helgas jugendlichen Bruder Egon ebenso wie Tittelbach. 1933 erschienen, liegt Ákos Molnárs zeitloser psychologischer Roman einer fatalen Vierecksbeziehung jetzt erstmals auf Deutsch vor. (Pressetext)

Kurzkritik:

Man merkt dem wie mit leichter Hand geschriebenen Roman nicht an, mit welch dramaturgischer und motivischer Finesse er gebaut ist. So erfährt man etwa bereits nach wenigen Seiten wie nebenbei, dass Tittelbach schon immer etwas für Dienstmädchen übrig hatte, kurz darauf ist es Helga, welche ihre Probleme mit ihren Bediensteten zur Sprache bringt. Noch misst man dem keine Bedeutung zu, lässt sich mit ruhigem Ton die Geschichte einer Verliebtheit schildern, die so wenig “erwachsen” werden kann wie ihre Protagonisten und die nach und nach durch Heimlichtuerei, Lügen und Unbeherrschtheit zerstört wird.

Besprechung:

Grete bleibt

Wie geht ein Paar mit Begierden und Lügen um? – Diese zeitlosen Fragen behandelt Ákos Molnár in seinem Roman “Zwölf Schritte”, dem – sieht man vom Dienstmädchen ab – die Entstehungszeit kaum anzumerken ist.

Minutös schildert Molnár, wie sich der Lehrer und Lebemann Tittelbach in die Schwester seines Schülers Egon verliebt. Die Klavierlehrerin Helga war diesem nach dem Tod der Eltern Mutter, Vater, Spielgefährte, Hauslehrer und Liebe und sucht Tittelbach auf, um ihrem Bruder das Sitzenbleiben zu ersparen.

Ein unerbittlicher Feind der Ehe

Tittelbach, “vierunddreißig Jahre alt, aber gefühlsmäßig jungfräulich wie im Alter von dreizehn Jahren”, ist “ein unerbittlicher Feind der Ehe” und schon nach dem ersten Kuss sagt er ernst: “Ich werde dich nie zur Frau nehmen! Ich will dich nie verlieren!” Doch dann beginnt er, Helgas Dienstmädchen Grete zu begehren, und hält, einerseits aus Selbstschutz, andererseits um Grete nah zu sein, um Helgas Hand an. (Weiters versucht er, Grete Egon zuzuführen – quasi als Vertretung für sich selbst.)

Erloschene Leidenschaft für das Dienstmädchen

Auf der Hochzeitsreise gesteht er Helga seine, so glaubt er, erloschene Leidenschaft für das Dienstmädchen und treibt damit einen Keil zwischen sich und seine Frau. Das einmal verloren gegangene Vertrauen ist kaum wieder herzustellen. Sie schwanken, ob sie Grete behalten wollen, um einen Beweis für dieses Vertrauen zu etablieren, oder ob sie sie entlassen sollen, um die Ursache für seinen Fehltritt in Gedanken aus der Welt zu schaffen. Grete bleibt – und “Zwölf Schritte” treibt unerbittlich seinem Höhepunkt zu.

Wie das Gewöhnliche seinen Gang geht

Man merkt dem wie mit leichter Hand geschriebenen Roman nicht an, mit welch dramaturgischer und motivischer Finesse er gebaut ist. So erfährt man etwa bereits nach wenigen Seiten wie nebenbei, dass Tittelbach schon immer etwas für Dienstmädchen übrig hatte, kurz darauf ist es Helga, welche ihre Probleme mit ihren Bediensteten zur Sprache bringt. Noch misst man dem keine Bedeutung zu, lässt sich mit ruhigem Ton die Geschichte einer Verliebtheit schildern, die so wenig “erwachsen” werden kann wie ihre Protagonisten und die nach und nach durch Heimlichtuerei, Lügen und Unbeherrschtheit zerstört wird.

Molnár urteilt nicht, er beschreibt bloß, wie das Gewöhnliche seinen Gang geht, das jede/r von uns kennt, wenn auch in letzter Konsequenz wohl nur in der Phantasie und in der Kunst.

Von Werner Schuster
Infos:

Ákos Molnár, 1895 in Budapest geboren, strebte eine Karriere als Geiger an, bevor er im I. Weltkrieg einen Arm verlor und sich ganz auf das Schreiben verlegte. Zwischen 1926 und 1941 erschienen fünf Romane und drei Novellenbände von ihm. 1945 wurde Ákos Molnár zusammen mit seiner Frau im besetzten Budapest von einem Mitglied der antisemitischen Faschistenpartei erschossen.

Über Ákos Molnár [5] bei Piper.