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5 Giordano-Bruno-Biografien

Ausführliche Besprechung [1]Infos [2]

 


Besprechung:

Der Ketzer als Identifikationsfigur

Zum 400. Jahrestag seiner Verbrennung gedenkt man Giordano Brunos mit Biographien.

Giordano Brunos Namen kennen auch Menschen, die sich nicht mit Philosophie beschäftigen. Denn er ist seit der Aufklärung eine Identifikationsfigur: als Ketzer und Märtyrer der Geistesfreiheit. Am 17. Februar 1600 wurde er in Rom als Häretiker verbrannt. Dieser schreckliche Jahrestag ist Anlaß für zahlreiche Publikationen über Bruno, sein Leben und sein Werk.

Dem Urteil von Papst Leo XIII. zufolge (in einem Brief an die Gläubigen anläßlich der Errichtung des Bruno-Denkmals an der Hinrichtungsstätte 1889) hat Giordano Bruno keine „wissenschaftlichen Leistungen aufzuweisen“. Dem halten die Biographen einhellig entgegen: Bruno war der erste, der von der Rotation der Sonne um ihre eigene Achse sprach, der behauptete, daß die Fixsterne Sonnen sind und daß die Erdkugel an den Polen abgeflacht ist. Er nahm die drei Keplerschen Gesetze, etwa die elliptische Umlaufbahn der Planeten, und in gewisser Weise auch die Relativitätstheorie vorweg – all das ohne Fernrohr und ohne jemals ein Experiment durchgeführt zu haben (was ihn für die Wissenschaft obskur macht).

Nebenprodukte

Doch diese erstaunlichen naturwissenschaftlichen Entdeckungen sind gewissermaßen nur Nebenprodukte von Brunos Philosophie: Zu einer Zeit, als sich die Sonne offiziell noch um die Erde bewegte, sprach er von einem unendlichen Weltall, waren für ihn der Kosmos ein Organismus und alle lebendigen Wesen verschiedene Phänomene der einzigen universalen und ewigen Existenz.

Er wird 1548 in Nola bei Neapel geboren und tritt 1565 in den Dominikanerorden als Theologiestudent ein. 1572 wird er zum Priester geweiht, vier Jahre später der Ketzerei angeklagt: Aus seinen Schriften geht hervor, daß er die Trinitätslehre ebenso ablehnte wie den Begriff eines persönlichen Gottes und den Marienkult. (Manche Biographen fragen sich trotzdem, weshalb die Kirche so hart gegen Bruno vorgegangen ist.)

Acht Jahre Gefängnis

Bruno flieht aus Italien – in ein unstetes Wanderleben durch die Schweiz, Frankreich, England, Deutschland und Böhmen. Er lehrt an Universitäten oder unterrichtet Privatschüler, wird jedoch nirgendwo heimisch: Mit einer Philosophie, die seiner Zeit weit voraus ist, eckt der noch dazu undiplomatische und gewissermaßen naive Philosoph in jedem kirchlichen und politischen Lager an.

1591 kehrt er – entgegen alle Vernunft – auf Einladung eines venetianischen Adeligen nach Italien zurück, welcher ihn 1952 der Inquisitionsbehörde übergibt. Acht Jahren Gefängnis und einem sieben Jahre währenden Prozeß inklusive Folter folgt das Ende auf dem Scheiterhaufen.

Knapp 50 Werke

Während dieses Lebens hat Giordano Bruno knapp 50 Werke verfaßt. Eine reiche Auswahl daraus bringt Nuccio Ordine in seiner originellen Monographie „Giordano Bruno und die Philosophie des Esels.“ Nach Ordine hat Bruno zwischen negativem und positivem Eseltum unterschieden, und der positive steht für unermüdliche Suche nach der Wahrheit, die sich der „coincidentia oppositorum“ (Zusammenfall der Gegensätze) und des unaufhörlichen Wandels der Welt bewußt ist.

Wer sich populärwissenschaftlicher, aber dennoch nicht oberflächlich über Giordano Bruno informieren will, dem sei die 20 Jahre alte Monographie von Jochen Kirchhoff mit einer verständlichen Darstellung von Brunos Philosophie empfohlen. 1999 erschienen ist das anschauliche Porträt von Gerhard Wehr mit viel Hintergrundinformation auch über Brunos Zeitalter.

Mutmaßungen

Sehr leidenschaftlich geht Anacleto Verrecchia an das Thema heran: Er macht keinen Hehl daraus, voll und ganz auf Brunos Seite zu stehen. Doch obwohl Verrecchia die Orte persönlich aufgesucht hat, in welchen Bruno lebte und wirkte, und auch über ein umfassendes Quellenwissen verfügt, „leidet“ auch diese Biographie daran, daß Bruno kein autobiographisches Zeugnis hinterlassen hat. (Es gibt nur die von der Inquisition wiedergegebenen Äußerungen.) Also ist allen möglichen Mutmaßungen über die Person Giordano Bruno Tür und Tor geöffnet.

Selbstverständlich sind auch die Darstellungen von Brunos Schriften nicht wertfrei. Der Philosophieprofessor Paul Richard Blum vertritt in seiner etwas trockenen, wissenschaftlich-„objektiven“ Biographie die Ansicht, daß Bruno „meistens zum Zweck der Parteinahme rezipiert worden ist: gegen die Katholiken, für die Toleranz, gegen oder für aktuelle Strömungen der Philosophie – oder als Repräsentant seiner Epoche.“

Da hilft eigentlich nur, Brunos Texte selbst zu lesen: Als preiswerter Einstieg empfehlen sich die Dialoge „Das Aschermittwochsmahl“ (Insel) „Über die Ursache, das Prinzip und das Eine“ und oder „Über das Unendliche, das All und die Welten“ (beide Reclam).

In letzterem ist etwa zu lesen:

Freilich gibt es keinen Sinn, der das Unendliche anschaute, keinen Sinn, der uns unmittelbar zwänge, darauf zu schließen; denn das Unendliche kann kein Gegenstand der Sinneswahrnehmung sein. Wer daher verlangt, dasselbe durch Vermittlung der Sinne zu erkennen, gleicht einem, der die Substanz und Wesenheit mit seinen Augen schauen will und die Existenz eines Dinges nur deshalb leugnet, weil es nicht wahrnehmbar ist.

Werner Schuster, © Presse, Spectrum (2000)
Infos:

Über Giordano Bruno [3] bei Wikipedia.