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Haas, Wolf: Silentium!

Kurzkritik [1]Was meinen Sie? [2]Ausführliche Besprechung [3]Infos [4]

Cover Haas SilentiumKrimi
Rowohlt, 1999
Inhalt:

Wieder einmal ein Bischofskandidat, der aus dem ehrwürdigen Marianum hervorging – darauf ist man in dem Salzburger Knabeninternat aufrichtig stolz. Wenn nur nicht die hässlichen Gerüchte um den aufstrebenden Kirchenmann wären. Und die 23 Plastiktascherln voller Leichenteile … (Pressetext)

Kurzkritik:

Könnte es sein, daß sich die Haas-Krimis gar nicht mit logischem Denken und folgerichtiger Vorgangsweise lösen ließen? Aber – kommt es darauf wirklich an? Und kommt es Haas darauf an? Nimmt er das Krimi-Genre ernst oder macht er sich einfach einen Spaß daraus, die sonderbare Aufklärung von kuriosen Verbrechen verquer zu bechreiben? – Dies ist das Rätsel, daß es Haas-Krimi für Haas-Krimi stets aufs neue zu lösen gilt. Allerdings nur, wenn man amouröse Abenteuer so beschrieben haben möchte: „Und dann hat die Notapothekerin nichts mehr gesagt. Und dann hat sie sich auf ihn gestürzt. Hyäne nichts dagegen.“

Besprechung:

Praktisch Ansichtssache

Die Krimis des österreichischen Erfolgsautors Wolf Haas leben kaum vom Suspense, sondern fast ausschließlich von ihrer Kunst-Sprache. Und diese eigenwillige Sprache muß man mögen, sonst braucht man seine Werke gar nicht zu lesen. Denn auch bei seinem vierten Buch „Silentium!“ stellt sich beim Lesen nicht der Thrill ein, weswegen man sich bei den meisten seiner Kolleg(inn)en eine Nacht um die Ohren schlägt, nur um zu wissen, wer welches fiktive Verbrechen warum begangen hat. „Silentium!“ kann man beinahe jederzeit aus der Hand legen. Auch bei diesem Haas-Krimi muß einen gar nicht so sehr interessieren, ob der Exzögling eines katholischen Knabeninternats ermordet wird, weil er angeblich von einem Anwärter aufs Bischofsamt seinerzeit sexuell belästigt worden ist – oder aus einem ganz anderen Grund. Auch bei „Silentium!“ kann man sich mit den knappen Beschreibungen der meistens klischeehaften Personen zufriedengeben oder nicht.

Praktisch Widersprüche

Das alles ist nebensächlich, bei Haas muß man Sätze wie den folgenden lesen wollen: „Aber für einen Detektiv natürlich immer interessant, wenn er die gleiche Geschichte von zwei Seiten hört, praktisch Widersprüche.“ Haas schreibt in einer künstlichen direkten Rede, quasi direkt an den Leser gewandt, und läßt gerne die Verben aus. Das gemahnt zuweilen an den Sprachstil in Georg Büchners Dramen, nur sind Haas‘ Sätze selten vieldeutig, dafür oft von humoresker Phantasie: „– und dem Brenner ist vorgekommen, als wäre durch das fehlende Nein ein richtiges Loch in die Luft gerissen worden, und momentane Wahnvorstellung, daß es ihn in dieses Luftloch hineinreißt, praktisch Horrorfilm.“

Tagträumer

Zu diesem unüblichen Stil kommt ein ungewöhnlicher Detektiv: Der ehemalige Polizist Brenner ist korpulent und träge, er geht niemals direkt an eine Sache heran, interessiert sich meistens für Nebensächliches, ist mit den Gedanken nie ganz bei der Sache, hat also viel von einem Tagträumer an sich – und löst seine Fälle folgerichtig auch intuitiv.

Notapothekerin

Nun könnte es duchaus sein, daß sich die vier Haas-Krimis gar nicht mit logischem Denken und folgerichtiger Vorgangsweise lösen ließen. Aber – kommt es darauf wirklich an? Und kommt es Haas darauf an? Nimmt er das Krimi-Genre ernst oder macht er sich einfach einen Spaß daraus, die sonderbare Aufklärung von kuriosen Verbrechen verquer zu bechreiben? – Dies ist das Rätsel, daß es Haas-Krimi für Haas-Krimi stets aufs neue zu lösen gilt. Allerdings nur, wenn man amouröse Abenteuer so beschrieben haben möchte: „Und dann hat die Notapothekerin nichts mehr gesagt. Und dann hat sie sich auf ihn gestürzt. Hyäne nichts dagegen.“

Werner Schuster, © Presse, Spectrum (1999)
Infos:

Wolf Haas wurde 1960 in Maria Alm am Steinernen Meer geboren und veröffentlichte 1996 mit «Auferstehung der Toten» den ersten der sieben Brenner-Krimis. Seine Bücher wurden in mehrere Sprachen übersetzt und unter anderem mit dem Deutschen Krimipreis, dem Burgdorfer Krimipreis, dem Literaturpreis der Stadt Wien und dem Wilhelm-Raabe-Preis ausgezeichnet. Wolf Haas lebt als freier Autor in Wien.

Über Wolf Haas [5] bei Wikipedia.